Von guten Mächten
Bonhoeffer sah es als Pflicht der Kirche an, "den Staat immer wieder danach zu fragen, ob sein Handeln verantwortet werden könne". Am Karsamstag 1933 verfasste er seinen Aufsatz "Die Kirche vor der Judenfrage": Darin machte er die Verteidigung der Menschenrechte zur gesamtkirchlichen Pflicht und trat für das Judentum ein. Die Kirche sei "den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet".
Der Theologe wurde am 4. Februar 1906 in Breslau in eine politisch liberale, großbürgerliche Familie hineingeboren. Er wuchs zusammen mit sieben Geschwistern in Berlin auf, wo sein Vater Karl Professor für Neurologie und Psychiatrie war und seine Mutter Paula die Kinder unterrichtete. Karl Bonhoeffer war nicht besonders religiös. Die Mutter, eine Pfarrerstochter, vermittelte Dietrich zwar eine christliche Erziehung, aber ohne große kirchliche Bindung. Bonhoeffers Wunsch, Theologie zu studieren, löste in der Familie Kopfschütteln aus.
Geprägt durch Auslandsaufenthalte
1928 legte Bonhoeffer sein Erstes Theologisches Examen ab und reichte seine Doktorarbeit "Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche" ein. Anschließend ging er für ein Jahr als Vikar in die deutsche Gemeinde nach Barcelona. Ein weiterer Auslandsaufenthalt in New York sollte ihn langfristig prägen: In den Kirchengemeinden Harlems lernte er praktische Pastoralarbeit kennen und befasste sich mit Fragen des Friedens und des Rassismus.
Nach Deutschland zurückgekehrt, hielt er an der Berliner Universität zu Beginn der 30er Jahre Vorlesungen über die Geschichte der Theologie. Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 stand Bonhoeffer sofort in der kirchlichen Opposition. In einem Radiobeitrag forderte er eine Begrenzung der Macht Hitlers und der Regierung durch rechtsstaatliche Ordnung und Volkswohl - das Mikrofon wurde ihm abgedreht.
Nach der Einführung des Arierparagraphen in der evangelischen Kirche am 6. September 1933 schlug Bonhoeffer den oppositionellen Pfarrern den Austritt aus der zum Staatsanhängsel gewordenen Deutschen Evangelischen Kirche vor - ohne großen Erfolg. Daraufhin gründete er mit Martin Niemöller und anderen den Pfarrernotbund zum Schutz der bedrohten Amtsbrüder jüdischer Herkunft.
Zunächst Lehr- , dann auch Redeverbot
Weil Bonhoeffer in der "häretischen Reichskirche" nicht Pfarrer sein wollte, ging er als Auslandspfarrer nach London. 1935 kehrte er trotz drohender Gefahren zurück, um das Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde zu leiten. Dieses wurde zwei Jahre später geschlossen. Bonhoeffer bekam Lehr-, 1940 sogar Redeverbot. In diesem Jahr schloss er sich der Widerstandsgruppe um seinem Schwager Hans von Dohnanyi und Generalmajor Hans Oster an. Offiziell reiste Bonhoeffer im Auftrag der Militärischen Abwehr in die Schweiz, nach Norwegen, Schweden und Italien, um sich über die Pläne der Engländer und Amerikaner zu informieren. Tatsächlich aber weihte er Kirchenmänner im Ausland in Putschpläne gegen Hitler ein.
Verwicklung in Umsturzpläne
In seiner Ethik legte er 1940 dar, dass seine Kirche versagt hatte: "Sie war stumm, wo sie hätte schreien müssen, weil das Blut der Unschuldigen zum Himmel schrie." Am 5. April 1943 wurde Bonhoeffer wegen seiner Kontakte zu NS-Gegnern des Hoch- und Landesverrats beschuldigt und zunächst in Tegel, dann im berüchtigten Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße inhaftiert.
Wenige Monate nach dem Stauffenberg-Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 fand die Gestapo Beweise für Bonhoeffers Verwicklung in die Umsturzpläne. Angesichts der herannahenden Roten Armee wurde er zunächst ins KZ Buchenwald bei Weimar, dann über Regensburg und Schönberg im Bayerischen Wald nach Flossenbürg gebracht, wo er am 9. April 1945 erhängt wurde. Der letzte von ihm überlieferte Satz lautet: "Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens."
Von Samuel Dekempe und Christoph Arens (KNA)