Katholisch.de-Blog zur Jugendsynode im Vatikan - Teil 7

Wenn wichtige Themen einfach unter den Tisch fallen

Veröffentlicht am 23.10.2018 um 14:47 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Die Bischofssynode in Rom befindet sich auf der Zielgeraden. Nur noch wenige Tage bis zur Veröffentlichung des Abschlussdokuments. Unser Autor Simon Linder blickt dem Papier mit Skepsis entgegen. Denn seiner Meinung nach ist auf der Jugendsynode so Einiges schief gelaufen.

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Für die Jugendsynode befinden sich aktuell 267 Bischöfe, 49 Auditoren und 23 externe Fachleute in Rom. Seit über zweieinhalb Wochen beraten sie fast täglich – nur sonntags ist Pause. Grundlage der Beratungen ist ein 79 Seiten starkes Dokument, das Instrumentum laboris. Ergebnis der Synode wird ein neuer Text sein, der die Gedanken der Synodenteilnehmer zusammenfasst.

Bis vergangenen Samstag haben die Synodenteilnehmer mithilfe zweier "Methoden" das Papier beraten.

Zum einen gab es Sitzungen im Plenum. Die Synodenteilnehmer hörten sich dabei in der Synodenaula ganze Tage lang Vier-Minuten-Statements an, eines nach dem anderen. Die eigenen vier Minuten Redezeit in der Aula hatte jeder Teilnehmer selbstverständlich gut vorbereitet. So reihte sich ein Statement an das andere, ohne dass auf die Statements der anderen eingegangen wurde. Dieses Format ist nicht dafür gedacht, Debatten in Gang zu bringen. Echte Dynamik aber kann sich nur im Eingehen aufeinander entwickeln.

Sprechen zu einem leeren Stuhl?

Clemens Blattert SJ, einer der "Periti", der zur Synode berufenen Experten, beschreibt das Setting in seinem Blog folgendermaßen: Die Synodenaula, aufgebaut wie ein Hörsaal, ist voll auf den Stuhl des Pontifex ausgerichtet – alle Statements richten sich so direkt an Papst Franziskus. Kurios war diese Sitzordnung vor allem an den Tagen, an denen er nicht vor Ort war. Da sprachen die Synodenteilnehmer de facto in Richtung eines leeren Stuhls. Dabei ist die Synode doch ein Beratungsgremium – kein Gremium, in das 300 Menschen berufen werden, die allesamt einzeln den Papst beraten sollen.

Zum zweiten wurde in Sprachgruppen gearbeitet. Dort war Raum für Diskussionen – aber auch da war es teils schwierig, in inhaltliche Auseinandersetzungen zu kommen. In der deutschsprachigen Sprachgruppe ging das wohl noch mit am besten, da hier nur rund ein Dutzend Synodenteilnehmer zusammensaß. In anderen Sprachgruppen waren bis zu dreißig Teilnehmer, die teilweise sogar noch Sprachprobleme hatten – da wurden in die Tiefe gehende Diskussionen schon deutlich schwieriger.

Themenseite: Jugendsynode

Was beschäftigt junge Menschen heute? Woran glauben sie? Und wie kann die Kirche sie bei einem gelingenden (Glaubens-) Leben unterstützen? Darüber diskutieren die Bischöfe bei ihrer weltweiten Synode vom 3. bis 28. Oktober 2018 im Vatikan.

Für die Zusammenarbeit in großen Gruppen gibt es Methoden, die effizienter sind, als zusammenhanglose Einzelstatements in einer Aula und Gruppendiskussionen mit bis zu dreißig Teilnehmenden. Wäre es zum Beispiel nicht möglich gewesen, dass jeder Bischof vor der Synode ein Thema auswählt, um das er sich im Besonderen kümmert? Dann hätten in einer ersten Phase Gruppen gebildet werden können, in denen man sich interkontinental themenspezifisch ausgetauscht hätte. Die Gruppe hätte jeweils den Dreischritt Wahrnehmen – Interpretieren – Auswählen für ihr Thema durchexerziert. Die Ergebnisse wären in den Sprachgruppen vorgestellt und intensiv diskutiert worden – in jeder Sprachgruppe hätte dann für jedes Thema ein verantwortlicher Bischof sitzen müssen. Der Vorteil: Der Austausch wäre intensiver gewesen und es hätte klare Verantwortlichkeiten für einzelne Themen gegeben. Das Abschlussdokument müsste so kein endlos langes Papier werden, sondern es hätte zu jedem Thema zwei oder drei DIN-A4-Seiten gegeben, in dem jeweils der Dreischritt für ein Thema durchgeführt worden wäre.

Aktuell besteht nämlich immer noch die Gefahr, dass einzelne Themen unter den Tisch fallen – das ist schon im Instrumentum laboris passiert. In Nr. 48 des Arbeitsdokuments ist die Rede von "Formen der Diskriminierung, unter denen junge Frauen auch im kirchlichen Umfeld zu leiden haben" – das war eines der großen Themen der Vorsynode gewesen. Das Abschlussdokument der Vorsynode wird im Instrumentum laboris dann folgendermaßen zitiert: "'Heute besteht das allgemein gesellschaftliche Problem, dass Frauen noch immer kein gleichwertiger Platz eingeräumt wird. Das gilt ebenso für die Kirche' (VS 5). Die Jugendlichen fragen sich, 'in welchen Bereichen sich Frauen in der Kirche und der Gesellschaft entfalten können' (VS 5), im Bewusstsein, dass 'die Kirche diese Probleme in tatsächlicher Auseinandersetzung und mit Aufgeschlossenheit für unterschiedliche Ideen und Erfahrungen angehen kann' (VS 5)." Auf diese Feststellung im Teil "Wahrnehmen" folgen allerdings keine Schlüsse – im dritten Teil "Auswählen" ist von den Fragen nach der Rolle der Frau schlichtweg keine Rede mehr. Manchen Bischöfen mag das wegen der Unübersichtlichkeit des Instrumentum laboris gar nicht aufgefallen sein.

Die "BDKJ-WG"

Eines ist auch klar: Die Bischofssynode muss nicht in Gestalt einer BDKJ-Hauptversammlung daherkommen. Dennoch: Bessere Strukturen, die effizientes Arbeiten ermöglichen, sollten im Interesse aller Teilnehmenden sein. Wer Themen voranbringen möchte, braucht kleine Arbeitsgruppen. Deshalb haben wir Synodenteilnehmer in unsere "BDKJ-WG" eingeladen. So saßen wir mit Bischof Stefan Oster, Clemens Blattert SJ, Frère Alois (Prior von Taizé) und Nathalie Becquart (Leiterin der Arbeitsstelle für Jugendpastoral in Frankreich) einen Abend lang bei Antipasti zusammen und diskutierten über die Themen der Synode. Das war ein Austausch, der ein tieferes Verstehen ermöglichte und den wir uns – unabhängig vom Abschlussdokument, das wir noch nicht kennen –auch für die Jugendsynode gewünscht hätten.

Von dieser Synode soll nicht ausschließlich ein Dokument bleiben – im intensiven Austausch bei uns am Küchentisch sind neue Ideen entstanden, die wir mit zurück nach Deutschland nehmen und dort weiterverfolgen werden. Andere Methoden, die weniger Hörsaal und mehr Küchentisch gewesen wären, hätten den Synodenteilnehmern mehr Möglichkeiten der inhaltlichen Auseinandersetzung ermöglicht. Schade, dass diese Chance nicht genutzt wurde – 267 Bischöfe, 49 Auditoren und 23 externe Fachleute hätten mehr von dieser gemeinsamen Zeit haben können.

Von Simon Linder

Der Autor

Simon Linder ist Referent für Kirchenpolitik und Jugendpastoral beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und Kolumnist bei der Ludwigsburger Kreiszeitung. Bei der Jugendsynode berät er den BDKJ-Bundesvorsitzenden Thomas Andonie theologisch und unterstützt ihn bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem berichtet er täglich auf dem Instagram-Account von katholisch.de (@katholisch_de) über die Synode.