Wie die Causa Wucherpfennig die Synode überschattet
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Das Arbeitsdokument der Jugendsynode besteht aus drei großen Abschnitten: Teil I trägt die Überschrift "Erkennen", Teil II "Interpretieren", Teil III "Wählen". Das erinnert an den cardijnschen Dreischritt "Sehen – Urteilen – Handeln". Weil vor der Synode viele Bischöfe betont hatten, sie wollten den Auditoren und sich gegenseitig zunächst einmal zuhören, war klar: Die Wichtigkeit des ersten Schritts ist allen bewusst. Das "Sehen" soll nicht aus der Distanz vorgenommen werden. Zu einer solchen Art des "Sehens" gehören Offenheit und Diskussionsbereitschaft.
Eine etwas andere Idee von "Sehen – Urteilen – Handeln" scheinen die Bildungs- und die Glaubenskongregation zu haben. Dort sah man das Interview, in dem Professor Ansgar Wucherpfennig, der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gegenüber eine wertschätzende Haltung zum Ausdruck gebracht hatte. Man urteilte darüber, dass dies geltender kirchlicher Lehre entgegenspreche. Und: Man handelte, indem man Wucherpfennig eine weitere Ausstellung des Nihil obstat (Unbedenklichkeitsbescheinigung) verweigerte. Rücksprache war laut dem Provinzial der Jesuiten, Johannes Siebner SJ, vorher nicht gehalten worden. Bildungs- und Glaubenskongregation blickten also aus der Distanz auf die Situation. Zu einer solchen Art des "Sehens" gehören Offenheit und Diskussionsbereitschaft eben nicht.
Tag 6 der Synode, Sonntag, der 8. Oktober:
Morgens weiß ich noch nichts von dem Sturm, den die Presseveröffentlichungen der Entscheidung bezüglich des Nihil obstat für Ansgar Wucherpfennig auslösen werden. Und so ist nach einer Woche am Sonntagmittag endlich mal Zeit, einen ausgiebigen Spaziergang durch Rom zu unternehmen. Abends bekommen wir in unserer BDKJ-WG noch Besuch von österreichischen Freunden und essen gemeinsam. Mittags Pizza, abends Pasta, dazwischen ein Eis – mehr italienisches Klischee geht an diesem Sonntag nicht.
Themenseite: Jugendsynode
Was beschäftigt junge Menschen heute? Woran glauben sie? Und wie kann die Kirche sie bei einem gelingenden (Glaubens-) Leben unterstützen? Darüber diskutieren die Bischöfe bei ihrer weltweiten Synode vom 3. bis 28. Oktober 2018 im Vatikan.Am späten Abend ist es dann mit der Ruhe vorbei. Als uns die Information erreicht, dass Wucherpfennig die weitere Ausstellung des Nihil obstat verweigert wird, ist für uns sofort klar, dass wir Stellung nehmen müssen. Denn dass eine solche Entscheidung Auswirkungen auf den Lehrbetrieb an den theologischen Fakultäten und Hochschulen in Deutschland hat, ist nicht zu bestreiten. Studierende, Dozierende, pastorale Mitarbeiter – ihnen allen wird deutlich gemacht: Deine eigene Haltung zählt in diesen Fragen nicht, und sei sie auch wissenschaftlich fundiert. Das ist ein fatales Signal an junge Menschen, die von ihrer Kirche Offenheit und Diskussionsbereitschaft erwarten.
Viele von ihnen verfolgen die Berichte zur Jugendsynode. Hier wird eine offene Sprache gepflegt. Menschen mit unterschiedlichen Haltungen diskutieren respektvoll miteinander. Wer erklärt, in gewissen Punkten die Lehre weiterentwickeln zu wollen, wird nicht abgekanzelt, sondern für seine Ehrlichkeit gelobt.
Tag 7 der Synode, Montag, der 9. Oktober:
Zunächst beschäftigen wir uns mit der Fertigstellung und Veröffentlichung des Pressestatements von Thomas. Danach diskutieren wir in der BDKJ-WG über einzelne Punkte des ersten Teils, um das Arbeitsdokuments um eine Perspektive zu ergänzen. Am Nachmittag treffe ich mich nochmals mit Teilen einer Gruppe aus Wien, die sich für die Arbeit des BDKJ interessiert.
Tag 8 der Synode, Dienstag, der 10. Oktober:
Heute werden die Statements, die die Ergebnisse der einzelnen Sprachgruppen zusammenfassen, in der Synodenaula verlesen und veröffentlicht. Spürbar wird: Es gibt Bewegung! Die Synodenteilnehmer nehmen bei den Themen, die sie in ihrer Gruppe diskutiert haben, kein Blatt vor den Mund und sprechen deutlich über sexualisierte Gewalt, die Digitalisierung, junge Geflüchtete, Begleitung für junge Menschen oder die zu negative Sprache des Arbeitsdokuments. Zwar ist einigen Dokumenten anzumerken, dass das alleinige "Erkennen" schwerfällt und hier und da schon eine "Interpretation" und möglichweise gar eine "Wahl" vorgenommen werden soll. Dennoch: In den Sprachgruppen hat man sich gegenseitig zugehört und unterschiedliche Meinungen ausgetauscht. Außerdem zeugen die Dokumente von einer großen Motivation, in diesem Oktober gemeinsam etwas voranzubringen. Ich bin ehrlich: Mit so viel Mut, mit so viel Lust am Gestalten hatte ich – vor allem schon in der ersten Woche – nicht gerechnet. Umso schöner, positiv überrascht zu werden!