Zeitung: Finanzskandal um Päpstlichen Chor
Der Päpstliche Chor der Sixtinischen Kapelle (Cappella Musicale Pontificia Sistina) soll in einen Finanzskandal verwickelt sein. In einer ersten Reaktion habe der Vatikan den bisherigen Direktor, Michelangelo Nardella, umgehend entlassen, berichtete die Zeitung "Il Fatto Quotidiano" am Dienstag. Zudem würden für die kommenden Wochen angesetzte Konzerte des weltberühmten Chores ausfallen. Laut dem Bericht offenbarten die Bücher des Chores große Verluste und Missmanagement durch Direktor Nardella.
Neben den wirtschaftlichen Problemen habe das Staatssekretariat des Vatikan auch gefälschte Unterschriften auf den Rechnungsdokumenten des Chores entdeckt. Die Unstimmigkeiten seien demnach in Zusammenhang mit den zahlreichen Konzertreisen im Ausland aufgetreten. Laut dem Bericht wurde der emeritierte Nuntius Mario Giordana vom Vatikan mit der Untersuchung des Falls beauftragt. Dieser habe Nardella und den Chorleiter Massimo Palombella bereits zu den Vorwürfen befragt. Auch die erwachsenen Sänger sowie die Eltern der Chorknaben seien in die Ermittlungen involviert. Eine für Juli angesetzte Konzertreise in die USA wurde zudem kurzfristig abgesagt, heißt es im Bericht.
Bericht: Nardella erhielt von Bertone großzügige Dienstwohnung
Derzeit soll Nardella unauffindbar sein, berichtet die Zeitung weiter. Möglicherweise soll er sich mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten abgesetzt haben. Anlass für weitere Spekulationen über fragliche Geschäfte biete zudem die Dienstwohnung Nardellas. Dieser habe vor wenigen Jahren die ehemalige Dienstwohnung eines Kardinals in bester römischer Innenstadtlage übernommen. Der damalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone habe der Vergabe des 400-Quadratmeter-Appartements an den Laien zugestimmt. Nach einer halbjährigen Umbauphase sei die Familie schließlich in das Gebäude gezogen, in dem auch der Chor seinen Sitz hat. Laut der Zeitung hatte Nardellas Frau, eine Psychologin, ihre Praxis in der ehemaligen Hauskapelle eingerichtet.
Der Chor der Sixtinischen Kapelle gilt als der älteste durchgängig existierende Chor der Welt. Er wurde in seiner heutigen Form im Jahr 1471 gegründet, seine Ursprünge reichen jedoch bis auf Papst Gregor den Großen im 6. Jahrhundert zurück. Dem vierstimmigen Ensemble gehören etwa 60 Sänger an, wobei Sopran und Alt von Knabenstimmen besetzt sind. Durch die Gestaltung der liturgischen Feiern des Papstes findet die Musik der "Cappella Sistina" weltweite Verbreitung. Daneben veröffentlicht der Chor regelmäßig Aufnahmen oder unternimmt Konzertreisen in Länder auf der ganzen Welt. (kim)