Zwischen Tabernakel und Tennisplatz
Wenn Ende August die US-Open in New York beginnen, dann stehen dort Tennisstars aus der ganzen Welt auf dem Platz: von Roger Federer über Andy Murray bis hin zu Angelique Kerber und Serena Williams. Die Schiedsrichter neben dem Platz kennt dagegen kaum jemand. Einer von ihnen ist der aus Nigeria stammende Paul Arinze. Das Besondere an ihm: Er ist katholischer Priester und eigentlich Pfarrer von St. John Vianney in der US-Diözese Madison.
Seit 2008 sei er bereits bei den großen Tennis-Turnieren dabei, erzählte Arinze am Mittwoch im Interview mit dem "National Catholic Register". Wie es dazu kam? Das erste Mal sei er in der vierten Klasse in Kontakt mit dem Sport gekommen, "als wir 'Ballkinder' für unsere Eltern waren, die Tennis spielten", so der Priester. Nachdem die Erwachsenen fertig waren, hätten seine Freunde und er auch ein wenig "den Schläger schwingen" dürfen.
Dass er jedoch einmal professioneller Schiedsrichter werden würde, war da noch nicht abzusehen. Das ergab sich erst, als er aus Nigeria in die USA kam. Nach seiner Weihe 1999 sei er Pfarrer in der Nähe der Universität Wisconsin gewesen und habe dort in seiner Freizeit regelmäßig die Tennismannschaft besucht, so Arinze. Dort habe man ihn irgendwann gebeten, als Schiedsrichter auszuhelfen. Das sei seine erste Erfahrung gewesen. Anschließend habe er entsprechende Fortbildungen gemacht. "Der Rest ist Geschichte."
Seitdem stand Arinze nicht nur bei den US-Open, sondern auch schon bei den drei anderen Grand-Slam-Turnieren – den Australian Open, den French Open und Wimbledon – an der Linie. Als eines der Highlights seiner Karriere bezeichnete er aber die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio. "Da war ich einer von nur sieben Schiedsrichtern aus den USA", so Arinze stolz. Gegeneinander ausspielen will er die Veranstaltungen aber nicht. "Jedes Turnier ist für mich einzigartig und herausfordernd."
Zu seinen Lieblingstennisspielern gehören vor allem Stars vergangener Jahre: die Deutschen Boris Becker und Steffi Graf, die US-Amerikaner Andre Agassi, Pete Sampras und James Blake sowie die Belgierin Kim Clijsters.
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Die Spieler reagierten meist fasziniert und überrascht, wenn sie erführen, dass er Priester sei, erzählt Arinze. Viele von ihnen seien selbst gläubig und würden seinen Beobachtungen nach vor dem Spiel beten. Auch habe er einige Spieler in der Heiligen Messe getroffen, wenn er bei den US-Open die benachbarte St.-Patricks-Kathedrale besuche. Ein eigenes religiöses Rahmenprogramm, etwa eine eigene Kapelle oder eine gemeinsame Messfeier, gibt es bei den Turnieren aber nicht. "Das wäre wirklich eine coole Idee, aber nein", so der Priester.
Ab und zu werde er von anderen Priestern auch auf seinen ungewöhnlichen Nebenberuf angesprochen. "Meine Mitbrüder sagen mir dann, dass sie mich im Fernsehen gesehen haben und fragen mich nach meinen Erfahrungen, die ich bei den Turnieren gesammelt habe." Auch spiele er selbst noch ab und zu Tennis – meist mit einigen Priestern und Kindern aus seiner Pfarrei. Dabei habe er auch nichts dagegen, von dem einen oder anderen Jugendlichen besiegt zu werden. (bod)