Die Kirche braucht ein Fronleichnam 2.0!
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Szene eins: Tagesschau am vergangenen Donnerstagabend. Nach Brexit, BKA und Kirchentag kommt Fronleichnam ins Bild. Eine Prozession in Oberfranken mit museal-vorkonziliarer Ästhetik: Der Pfarrer in barocker Bassgeige, Uniformierte mit Pickelhaube und Karabiner flankieren den Baldachin, Jugendliche tragen weiße Handschuhe. Der halbinformierte Kommentar dazu lautet: Fronleichnam erinnere "an das letzte Abendmahl Jesu, bei dem Brot und Wein gereicht wurden, nach katholischer Lehre die leibliche Gegenwart von Jesus Christus".
Szene zwei: Am Samstag darauf muss auch der Fahrer des Porsche-Cabrio hinter mir wegen der Fronleichnams-Prozession anhalten. Eher ungläubig als unfreundlich starrt er die Menschen an, die an ihm vorbeiziehen: Vor allem kleine Kinder und alte Menschen, dazu einige Schützen in grünem Ornat vor der Blaskapelle. Nachdenklich den Kopf schüttelnd setzt er den Boliden wieder in Bewegung.
Szene drei: Am Samstagabend sind über 50 Firmlinge im Gottesdienst, zum Abschluss der nachmittäglichen Katechese. Vor dem Schlusssegen wendet sich der Pfarrer in bester Absicht an die Jugendlichen, die bis dahin noch gar nicht angesprochen worden sind. Dazu verlässt er sogar den Altarraum und steht im Mittelgang, um ihnen drei Punkte ans Herz zu legen: Sie sollten doch bitte regelmäßig samstags oder sonntags die Eucharistiefeier besuchen. Der Priester fährt fort: Er habe niemanden von ihnen bei der Fronleichnamsprozession gesehen, sie mögen doch bitte daran teilnehmen. Und drittens: Wenn Sie nächstes Jahr zu Fronleichnam kämen, sollten sich die jungen Leute bitte anders kleiden als heute. Weniger kurze Hosen, keine knappen T-Shirts. Es gäbe auch an Fronleichnam einen Dresscode. Er meine das ernst und nicht böse – und ich glaube ihm sogar. Doch die Jugendlichen wird er nie mehr wiedersehen.
All diese Erfahrungen machen mich nachdenklich – und sie schmerzen auch. Wir können ein Ideenfest aus dem 13. Jahrhundert, das eng mit der hochmittelalterlichen Schaufrömmigkeit verknüpft ist, heute nicht so ungebrochen feiern, als wäre es für alle verständlich. Wir brauchen liturgische Utensilien, die das Glaubensverständnis des 21. und nicht des 19. Jahrhunderts repräsentieren. Wie könnten wir sonst tatsächlich anschaulich erfahrbar werden lassen, dass es um die lebendige Gegenwart unseres Gottes in dem Brot geht, das im Mittelpunkt der Eucharistiefeier heute steht? Vielleicht reicht an Fronleichnam eine Kirche mit sperrangelweit offenen Türen mitten in der Stadt, still, beleuchtet, auf dem Altar nur eine Hostie. Damit die Menschen verwundert vorbeigehen an diesem Gott in Brotgestalt. Es geht an Fronleichnam nicht darum, ob Katholiken den Mut haben, sich auf der Straße mit ihm sehen zu lassen. Es geht um die Frage, ob ER sich noch mit uns sehen lassen kann. Wir brauchen ein Fronleichnam 2.0.