Andreas Püttmann über das Vermächtnis von Kardinal Lehmann

"In die Welt verkrallt"

Veröffentlicht am 26.03.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Andreas Püttmann über das Vermächtnis von Kardinal Lehmann

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In seinem Geistlichen Testament bedauert Kardinal Lehmann: "Wir haben uns alle, gerade in der Zeit nach 1945, tief in die Welt und das Diesseits vergraben und verkrallt, auch in der Kirche. Dies gilt auch für mich. Ich bitte Gott und die Menschen um Vergebung." Für einen Bischof ein mutiges Bekenntnis! Es erinnert an Joseph Ratzingers päpstliche Ermahnung zu einer "tiefgreifenden Entweltlichung": Statt sich "den Maßstäben der Welt" anzugleichen, gelte es "jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht“, „ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheiten sind".

Dort knüpfte Papst Franziskus mit seiner Kritik der "spirituellen Weltlichkeit" an: Wer aus der Kirche "ein Museumsstück" machen wolle und "die Energien im Kontrollieren" verbrauche, suche "den eigenen Vorteil, nicht die Sache Jesu Christi"; "in der Immanenz seiner eigenen Vernunft oder seiner Gefühle eingeschlossen", fühle er sich "den anderen überlegen" und pflege "eine vermeintliche doktrinelle oder disziplinarische Sicherheit, die Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elitebewusstsein".

Drei ganz Große unserer Kirche, vereint in einem Akzent: Seid nicht zu sehr "von dieser Welt"! Nicht zu verwechseln mit einem Rückzug aus der Welt: Vielmehr sollten wir uns "auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein", so Benedikt XVI. in Freiburg. Nur eben nicht ohne "reservatio mentalis", einen inneren Vorbehalt: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir", und: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen." Das schenkt Freiheit, Distanz, Unabhängigkeit, Unerschrockenheit. "Sich an die Welt mit klammernden Organen" zu halten, wie Goethe im "Faust" dichtete, mag menschlich sein, ist aber schließlich immer vergeblich. Gerade die Karwoche kann dies zu bedenken geben.

Und so entscheidet man sich im Zweifel am besten im Sterbebett-Test: Was wird am Ende zählen, vor Gott als einzig maßgeblichem Richter? Besitz, Macht, Ansehen? Gewiss nicht. Niederlagen? Verlorene Gunst? Ein beschädigter Ruf? Windhauch! Mehr zu achten auf die "5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen", rät Krankenschwester Bronnie Ware in einem Buch mit dem Untertitel: "Einsichten, die ihr Leben verändern werden." Das selbstkritische Vermächtnis des Bischofs von Mainz sollte uns innehalten lassen.

Von Andreas Püttmann

Der Autor

Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.