Wer Priester will, braucht keine "Berufungen"
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Am Sonntag war der Weltgebetstag für geistliche Berufungen. Da musste ich an meinen Großonkel denken, der Priester war. Als Jugendlicher fragte ich ihn einmal, warum er sich für diesen Weg entschieden hat. Seine Antwort: Zunächst habe er Religionslehrer werden wollen, dann habe er sich gedacht, jetzt könne er ja auch Priester werden. Kein Wort von einer "Berufung". Das hat mich beeindruckt.
Denn ich habe ein Problem mit "Berufungen". Das ist so ein verdammt großes Wort, ehrfurchtgebietend, einschüchternd, abschreckend. Und es fördert allzu leicht unrealistische Vorstellungen: Wenn mich Gott ruft, krieg ich das mit seiner Hilfe schon irgendwie hin. Und aus dem Gefühl berufen zu sein, kann schnell die Überzeugung werden, zu Höherem berufen zu sein. Da klingt es auch wenig überzeugend, wenn man plötzlich alle anderen Lebenswege irgendwie als Berufung deklariert.
Wie wäre es, wenn wir einfach mal ein paar Gänge runterschalten und auf das Wort "Berufung" verzichten würden? Versuchen wir es doch mal so: Priester zu sein ist ein ungemein anspruchsvoller, vielseitiger und erfüllender Beruf. Vielleicht trauen sich dann ja wieder mehr junge Männer diesen Schritt zu. Es sollte doch noch Möglichkeiten zwischen Berufungsmonstranz und Abschaffung des Zölibats geben, um ihr Interesse zu steigern. Denn auch das muss klar sein: Die Familien, von denen es jetzt immer wieder heißt, sie sollten bitte Berufungen fördern, können nicht mehr tun, als eine katholische Sozialisation zu bieten - und das ist heute schon viel.
Jahre nach dem Gespräch mit meinem Großonkel war ich zu seinem Goldenen Priesterjubiläum eingeladen. Ich werde diesen Empfang im Pfarrsaal von Sankt Foillan im Schatten des Aachener Doms nie vergessen: die Leute aus seiner Gemeinde, in der er mehr als 20 Jahre als Pfarrer gewirkt hat, wie sie ihm dankten, ihm gratulierten, in einer Herzlichkeit, die mich nachdenklich machte: In welchem Beruf, fragte ich mich, wirst Du je so etwas erleben, wenn Du ein Dienstjubiläum feierst?