Medienwissenschaftler Bolz warnt Kirchen vor Anpassung an Medien

"Den Schatz bewahren"

Veröffentlicht am 09.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Medien

Berlin ‐ Der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz warnt die Kirchen vor einer Anpassung an die Erwartungen der Medien. "Nichts wäre schlimmer, als wenn die katholische Kirche den Weg vieler protestantischer Kirchen einschlagen und sich immer gnadenloser der Medienwirklichkeit anpassen würde", sagte Bolz am Donnerstag in Berlin.

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"Sie sollte den Schatz ihrer zweitausendjährigen Lebenserfahrung und Spiritualität wahren und nicht gegen Talkshowtauglichkeit eintauschen", so Bolz, der übrigens selbst evangelisch ist. In der Logik der Medien führe jede Anpassung schließlich zur "Nichtbeachtung und Gleichgültigkeit."

"Nur das Widerständige bleibt interessant und eine News", sagte der Wissenschaftler. Deshalb sei die Frage entscheidend, "ob die Kirche den Mut zur Authentizität aufbringt". Die Medien böten der Kirche und dem Papst immer wieder an: "Wir finden dich gut, wenn du unseren Erwartungen entsprichst". Als sich Papst Benedikt XVI. "nicht darauf einließ, stempelte man ihn als Reaktionär ab".

"Die Gesellschaft ist weiterhin tief religiös"

Trotz aller "plakativer Atheismen" sei Religion in Deutschland weiter für die meisten Menschen wichtig. "Die Gesellschaft ist weiterhin tief religiös", so Bolz. Auch wenn der kirchlich praktizierte Glaube zurückgehe, bleibe das "religiöse Bedürfnis" deutlich. Es suche sich aber "in unterschiedlichen Ersatzreligionen Befriedigung: von Patchwork-Religiosität bis zu Ideologien". Leider werde dies sogar "von einigen protestantischen Kirchen gefördert, nach dem Prinzip: Hauptsache, es wird irgendwas geglaubt."

Eine radikal wertepluralistische Gesellschaft wird nach Überzeugung von Bolz nur noch durch negative Abgrenzungen zusammengehalten. Hier liege eine wesentliche Funktion der Medien. "Wir haben zwar keine Werte, auf die wir uns alle einigen könnten, aber die Medien führen uns jeden Tag vor, was wir nicht wollen". So entstehe ein negativer Wertekonsens. Der ethische Grundkonsens in der Moderne sei gekennzeichnet von der Abwehr des "Summum Malum", des größten Übels.

Gesellschaftliche Aufgabe der Religionen sei es hingegen, die "freie Stelle der positiven Werte" zu besetzen, insofern sie sich auf ein "Summum Bonum", auf ein höchstes Gut beziehen. (KNA)