Freudentränen auf dem Petersplatz
Die Spannung der Menschen ist fast greifbar, so sehr haben sie alle auf diesen Augenblick gewartet, gehofft und dafür gebetet: die Heiligsprechung von Mutter Teresa. Die ersten Klänge der Messe: "Misericordes Sicut Pater", verhallen in der römischen Sonne, kurz darauf ebenso die Anrufung der Heiligen - und dann, endlich, spricht Papst Franziskus unter seinem bordeauxroten Baldachin direkt vor dem Petersdom die von so vielen hier lang ersehnte, lateinische Formel: "Beatam Teresiam de Calcutta Sanctam esse decernimus et definimus". Applaus brandet auf, einigen Pilgern stehen Tränen in den Augen - Mutter Teresa ist heilig!
Rund 120.000 Menschen sind auf den Petersplatz und die angrenzende Via della Conciliazione gekommen, um diesen Moment live zu erleben. Schließlich ist die Ordensgründerin, die 1910 im heute mazedonischen Skopje geboren wurde, als "Engel der Armen" weltweit bekannt. Ihr bürgerlicher Name, Agnes Gonxha Bojaxhiu, sagt hingegen kaum jemandem etwas. Aber Mutter Teresa von Kalkutta - weil sie im indischen Kalkutta in einem weißen Sari durch die Slums zog, um den Bedürftigen zu helfen - die kennt nahezu jeder.
Linktipp: Mutter Teresa ist eine Heilige
"Mutter Teresa war eine großherzige Ausspenderin der göttlichen Barmherzigkeit", sagt Papst Franziskus. Am Sonntag nahm er die Ordensgründerin offiziell in das Verzeichnis der Heiligen der Kirche auf. Zehntausende Gläubige nahmen an der historischen Feier teil.Unter der sonnenhutbedeckten Masse, fahnenschwenkenden Argentiniern, Asiaten und vielen Europäern ist auch Iris aus dem Erzbistum Köln. Sohn Maximilian bekam die Romreise zur Heiligsprechung zu seinem Abitur geschenkt. Der Familie liegt am Glauben, der Vater ist Diakon. "Es ist cool, ein Erlebnis", meint Maximilian. Mutter Iris ergänzt: "Heilige sind unsere Freunde, sie sind immer für uns da".
Die Mutter Teresa-Schwestern sind selbstverständlich auch da, an dem Tag, an dem ihre Ordensgründerin zur Ehre der Altäre erhoben wird. Immer wieder sieht man die weißen Kopftücher der Ordensschwestern mit dem typischen blauen Saum in der Menge, außerdem haben sie Plätze weit vorne bekommen, damit sie den Papst und "ihre Heilige" auch gut sehen können. Denn eigens zur Zeremonie wurde ein großes Bild Mutter Teresas am Petersdom angebracht. Doch so, wie Mutter Teresa sich unerlässlich um Bedürftige kümmerte, sind die Schwestern teilweise auch heute im Einsatz: sie schieben Kranke im Rollstuhl, beten. Für Interviews haben sie keine Zeit.
Pilger übernachten im Freien
Anders eine Gruppe elf junger Frauen, die bereits seit dem Vorabend vor der Sicherheitszone wartete, die rund um den Petersplatz eingerichtet wurde. Zur Heiligsprechung von Mutter Teresa, die sich um Arme, Kranke und Obdachlose kümmerte, nächtigte die kleine Pilgergruppe mit Schlafsack und Decken auf dem bloßen Boden. Dort, wo sonst die schlafen, die Mutter Teresa besonders am Herzen lagen. "Es war kalt. Aber das war die Sache wert", sagen sie.
Aus allen Himmelsrichtungen und Kontinenten hat die charismatische Ausnahmeerscheinung die Menschen wie ein großer Magnet nach Rom gezogen. Vielen warteten seit dem frühen Morgen auf Einlass, zwischen Ave-Maria Gesängen, Rosenkranz-Duft und babylonischem Stimmenwirrwar. Die Heiligsprechung von Mutter Teresa ist einer der Höhepunkte in dem von Papst Franziskus ausgerufenen Heiligen Jahr der Barmherzigkeit.
Der Papst will sie weiter "Mutter" nennen
Mutter Teresa bedeutet vielen viel. Das macht auch Papst Franziskus bei seiner Predigt deutlich, in gewohnt umgangssprachlicher Manier und freier Rede: "Ich denke, es wird uns etwas schwer fallen, sie jetzt 'Heilige Teresa' zu nennen, denn ihre Heiligkeit ist uns so nahe, sie ist so zart und so fruchtbar, dass wir wohl spontan weiterhin 'Mutter Teresa' sagen werden."
Da könnte Franziskus richtig liegen. Zwei Inder jedenfalls, die in Rom leben, sind zur Heiligsprechung gekommen, weil sie sich "Mutter Teresa so nahe fühlen". "Sie ist wirklich wie eine Mutter für mich", sagt der jüngere der Beiden. Und Bernadette aus Irland, die Mutter Teresa noch persönlich kannte und mehrmals traf, ist überzeugt, das die neue Heilige bereits für sie ein Wunder erwirkt hat. Mit Hilfe einer Haar-Reliquie habe sie eine Krebskrankheit besiegt. Die Heiligsprechung war ihrer Meinung nach längst überfällig. Deshalb ist heute für sie ein ganz besonderer Tag. "Ich fühle mich fast selbst wie im Himmel", sagt sie unter Tränen.