Rebacce Benahmed über Fußball, Gottesdienst und Liturgie.

"Fußball stiftet Identität"

Veröffentlicht am 17.09.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Bonn ‐ Sind Fußballspiele die Gottesdienste des 21. Jahrhunderts? Dieser und anderen Fragen ist die Gemeindereferentin Rebecca Benahmed aus dem Bistum Trier in ihrer Diplomarbeit nachgegangen. Zum Start der Champions League spricht sie im Interview mit katholisch.de über religiöse Aspekte im Fußball, was Kirche von dem Sport lernen und warum dieser nie einen Gottesdienst ersetzen kann.

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Frage: Frau Benahmed, sind Fußballspiele die Gottesdienste des 21. Jahrhunderts?

Benahmed: Vielleicht könnte man das so sagen. Auf jeden Fall gibt es im Fußball viele religiöse Elemente und viele Menschen ziehen heutzutage eine solche Befriedigung aus dem Fußball wie andere aus Gottesdiensten.

Frage: In ihrer Diplomarbeit haben sie sich mit der religiösen Funktion des Fußballs auseinandergesetzt. Gibt es ein solche denn überhaupt?

Benahmed: Ja. Die religiöse Funktion des Fußballs schlechthin ist, dass er Identität stiftet. Er verhilft mir, mich selbst zu finden und in neue Gruppen aufgenommen zu werden. Das trifft vor allem auf die sogenannten "Ultras" zu, also die treuesten und leidenschaftlichsten Fans eines Vereins. Identität findet aber nicht nur der Einzelne, sondern auch die ganzen Gruppe über äußere Zeichen wie Fanartikel und Fanlieder. Deswegen fühlen sich Fans im Fußball zu Hause.

Frage: Ein Fazit ihrer Arbeit ist, dass auch in einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft Religion nicht verschwinden wird, sich allerdings auch in "alternativen Institutionen und Teilsystemen" wie dem Fußball verwirklichen kann. Das muss für Verantwortliche in der Kirche doch eigentlich ein Alarmzeichen sein, oder?

Rebecca Benahmed vor einer Kirche.
Bild: ©Paulinus

Rebecca Benahmed hat an der Katholischen Fachhochschule Mainz Religionspädagogik studiert. Für ihre Diplomarbeit "Tor und Amen. Was ist religiös? Fußball und Liturgie im Vergleich" wurde sie mit dem Förderpreis der Hochschulgesellschaft forum sociale Mainz ausgezeichnet. Mittlerweile arbeitet sie als Gemeindereferentin im Bistum Trier. Im Fußball schlägt ihr Herz für Mainz 05 und den 1. FC Saarbrücken.

Benahmed: Das sollte auf jeden Fall ein Alarmzeichen für uns sein. Wir müssen uns überlegen, wie Kirche wieder attraktiver werden kann. Allerdings habe ich in meiner Arbeit auch herausgestellt, dass Bereiche wie Fußball oder auch Musik nie gänzlich erfüllend sein können. Sie sind immer von Menschenhand geformt, in der Religion geht es aber um mehr, nämlich um Gott. Er trägt uns Menschen, spricht uns zu und lässt uns nicht fallen. Das kann weder der Verein noch die Ultra-Gruppe schaffen. Das ist das, was uns als Kirche und Religion ausmacht.

Frage: Aber kann Kirche etwas vom Fußball lernen?

Benahmed: Definitiv. Wir können lernen, stärker die Sprache der Menschen zu sprechen. Dass wir das zu selten tun, ist meiner Ansicht nach ein Grundproblem, das wir heute in der Kirche haben: Vielleicht sind wir zu weit weg von den Leuten, vielleicht finden alltägliche Probleme der Menschen in unseren Gottesdiensten keinen Platz. Deswegen ist es wichtig, in Gottesdiensten mehr Enthusiasmus, mehr Motivation von vorne zu erzeugen, was ja im Fußball zu spüren ist.

Frage: Haben Sie schon einmal für einen Sieg ihres Vereins gebetet?

Benahmed: Das habe ich schon getan – und das ist für mich auch keine Ketzerei. Vielmehr ist es genau das, was Religion auch ausmacht. Wenn ich etwas verloren habe, bete ich ja auch. Auch in den kleinen Dingen ist Gott bei uns zu Hause.

Das Interview führte Christoph Meurer

Hinweis:

Rebecca Benahmed: "Tor und Amen Was ist religiös? Fußball und Liturgie im Vergleich". AV Akademikerverlag. 39.90 Euro. ISBN: 978-3-639-46676-8

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