Andreas Püttmann über rechtspopulistische Demagogie

Faschistoide Selbstermächtigung

Veröffentlicht am 19.09.2016 um 00:01 Uhr – Von Andreas Püttmann – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Andreas Püttmann über rechtspopulistische Demagogie

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Nun also auch Berlin. Im zehnten Bundesland sind die Rechtspopulisten ins Parlament eingerückt. Während die "Grünen" sich mühsam ins Parteiensystem vorarbeiteten und erst nach fünfzehn Jahren bei der Europawahl 1994 zweistellig wurden, schnellte die AfD nach ihrer Gründung in wenigen Monaten auf 4,7 Prozent bei der Bundestagswahl 2013 und auf zweistellige Ergebnisse bei den meisten Landtagswahlen empor. Das gelang ihr durch suggestiv-simple Antworten auf komplexe Fragen, durch Emotionalisierung, Kultivierung von Ängsten und Schüren von Ressentiments sowie eine fokussierte Negativ-Personalisierung, die Teile der Bevölkerung in einen regelrecht hasserfüllten Anti-Merkel-Rausch abgleiten ließen.

Ein besonders gut verfangendes Versatzstück rechter Demagogie ist die Behauptung, unsere Verfassungswirklichkeit sei gekennzeichnet durch einen "Bruch von Recht und Gesetz", eine "Zerstörung des Rechtsstaates" und "illegitime" Machtusurpation durch ein "politisches Kartell" als "heimlicher Souverän", der "die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat", so das AfD-Grundsatzprogramm – eine maßlose Hetztirade, die unseren demokratischen Rechtsstaat als Diktatur verleumdet.

Wie erfolgreich das "Rechtsbruch"- oder gar "Herrschaft des Unrechts"-Narrativ durch AfD, NPD und CSU in die Mitte der Gesellschaft transportiert wurde, zeigt auch seine Kolportage durch Jeremias Schröder am Donnerstag an dieser Stelle. Ich weiß nicht, aus welcher Kompetenz im Internationalen, Europäischen und Deutschen Recht heraus der Abtpräses "Rechtsbruch" feststellt. Nicht nur die Karikatur des "allgemeinen Verfassungsinterpretentums" als "quasi lutheranisches Element" (Josef Isensee) sollte ihm davon abraten.

Eine Rechtsmeinung darf in einem freien Land jeder haben – wie zur Aufstellung der Fußballnationalmannschaft. Doch auch wenn er einen prominenten Juristen findet, der sie teilt, gilt: Schwerwiegende Rechtsbrüche werden verbindlich nur durch Gerichte, letztinstanzlich das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Wer sich dazu in apodiktischer Diktion selbst ermächtigt, verweigert der Verfassungsordnung faktisch die Anerkennung. Der Angriff der rechtspopulistischen PiS auf das polnische Verfassungsgericht mahnt.

Angesichts der autoritären Offensive gegen die Demokratien Europas verbietet es sich für jeden, der Verantwortung für die öffentliche Meinungsbildung übernimmt, unseren Rechtsstaat leichtfertig zu delegitimieren. Wer ein wenig die Geschichte kennt, weiß: Die Selbstermächtigung, an den demokratischen Institutionen vorbei den "Volkswillen" oder das Recht zu bestimmen, ist im Kern, was wir nie wieder sein wollten: faschistoid.

Von Andreas Püttmann

Der Autor

Andreas Püttmann lebt als Journalist und Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.