"Wir lassen niemanden im Regen stehen"
Frage: Herr von Brandenstein-Zeppelin, die Chronik des Malteser Hilfsdienstes liest sich wie eine Erfolgsgeschichte. Was sind die zentralen Herausforderungen der Zukunft?
Brandenstein-Zeppelin: Unser Orden hat 900 Jahre Tradition. Da kann man nur bestehen, wenn man mit der Zeit geht. In den letzten zehn bis 15 Jahren haben wir beispielsweise mit der Hospizarbeit angefangen. Auch nehmen immer mehr Menschen unsere Besuchsdienste in Anspruch, denn Einsamkeit ist eine der großen Nöte der heutigen Gesellschaft. Und seit einiger Zeit konzentrieren wir uns sehr stark auf die Angehörigen von Patienten mit Demenz. Wir nehmen derzeit fünf Millionen Euro in die Hand, um unsere Leute im Umgang mit Menschen mit Demenz auszubilden. Wir gehen zu Familien, die Patienten betreuen, damit die Angehörigen ein wenig Luft haben. Das sind die Themen, die uns im sozialen Bereich zukünftig beschäftigen.
Frage: Während fast alle Verbände und Hilfsdienste über Nachwuchsprobleme im Ehrenamt klagen, können Sie sich vor engagierten Helfern kaum retten. Was machen Sie anders?
Brandenstein-Zeppelin: Wir wollen die attraktivste Organisation für Ehrenamtler werden. Das Geheimnis ist, dass wir immer wieder neue spannende Aufgaben und ein Betriebsklima bieten, in dem es Freude macht zu arbeiten. Wenn sie mal einen Nachmittag bei einem sterbenden Patienten gesessen haben und ihn bis zu seinem letzten Atemzug begleitet haben, geht das ans Herz. Ich selbst habe vier Jahre lange eine Frau im Altenheim besucht, jeden Monat eine Stunde. Das hat ihr Leben verändert, das hat mein Leben verändert. Das sind so hochsensible und prachtvolle Aufgaben. Wenn Sie da einmal reingeschnuppert haben, bleiben Sie dabei.
Frage: Der Malteser Hilfsdienst ist aus einem Orden hervorgegangen. Was unterscheidet Sie als katholische Organisation beispielsweise vom Roten Kreuz?
Brandenstein-Zeppelin: Das ist sicherlich eine Frage der Ressourcen. Der Orden selbst hat eine über 900-jährige Tradition . Wir haben uns das Vertrauen der Kirche und der Menschen hart erarbeitet. Die Kirche hat uns über die Jahrhunderte hinweg stets die Hand gehalten; und wir müssen uns schon sehr dumm anstellen, damit sie die Hand wegzieht. Die katholische Kirche ist uns hochgewogen, weil sie weiß, was die Malteser machen, war 900 Jahre gut - die machen keinen Quatsch. Und uns unterscheidet von anderen Organisationen, dass wir aus christlicher Nächstenliebe helfen. Wir werden zum Beispiel nur ganz selten politisch. Aber wo wir politisch sind, das ist der Lebensschutz. Wir sind nicht Herren über Leben und Tod. Wir machen ambulante Hospizarbeit, weil wir finden: Sterbende muss man begleiten und nicht umbringen. Aus dem gleichen Grund unterstützen wir auch die Initiative "One of us", die europaweit versucht, Unterschriften gegen Abtreibung zu sammeln. Ansonsten sind wir nicht politisch: Wir helfen im Hospiz, wir helfen auf der Love Parade, wir helfen unseren Feinden und lassen niemanden im Regen stehen.
Das Interview führte Michael Richmann