Zeit für eine neue Richtung
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Auch heute wieder: Jeden Tag bringe ich einiges zustande, schaffe, organisiere, kaufe, gestalte – nur das Eigentliche kann ich nicht selbst machen. Ich kann Gesundheit letztlich nicht herstellen, Geliebt-Werden nicht erarbeiten, Versöhnung nicht erzwingen, nicht Freunde haben oder Zärtlichkeit erfahren…
Die Aussätzigen im heutigen Evangelium haben das noch viel extremer erlebt. Eine tückische Krankheit katapultiert sie aus der Gesellschaft, sie haben keine Lebensgrundlage mehr, können nur "aus der Ferne", mit Sicherheitsabstand der eigenen Familie begegnen – hoffnungslos, eben nichts mehr zu machen. Und dann, nicht erwartbar: "Sie wurden rein" – neue Chance, neues Glück, neues Leben.
Solche dramatischen Heilungen gehören nicht zu meinem täglichen Repertoire… Trotzdem: Wenn letztens nach dem bösen Treppensturz nicht viel passiert ist, wenn ich dieser Tage aufatmen konnte, weil wir uns wieder versöhnt haben, wenn ich aus dem Staunen nicht herauskomme, weil mir jemand sagt, dass er mich mag – reines Geschenk, buchstäblich unverdient, weil nicht verdienbar.
Kennen Sie das auch? Solche Erlebnisse krame ich öfter mal hervor, erinnere mich daran, erzähle davon. Mir scheint, so richtig rund werden sie erst, wenn ich sie hin- und herwende, wenn ich sie würdige und mit meinem Dank beantworte.
Vielen Dank für die Wolken.
Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier
und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.
Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn
und für allerhand andre verborgne Organe,
für die Luft, und natürlich für den Bordeaux
Dieses Gedicht von Hans Magnus Enzensberger kommt mir wie ein Dankgebet vor – auch wenn es "Empfänger unbekannt" heißt. Ich empfinde das als ein Privileg meines Glaubens: Ich habe eine Richtung, eine Adresse für meinen Dank – und auch für mein Klagen, Weinen und Schimpfen. Da hat der Dichter Dante Gabriel Rossetti schon recht: "Der schlimmste Moment für den Atheisten ist, wenn er wirklich dankbar ist und keinen zum danken hat".
Dieser Eine im Evangelium hat das auch herausgefunden. Er geht nicht zur Tagesordnung über, er wird sich bewusst, wem er sein Heil verdankt und findet Wort und Geste für seinen Dank. Oft genug versäume ich das – vielleicht sogar in neun von zehn Fällen. Das Leben ist so schnell, dass ich vergesse, mir nicht die Zeit nehme, Erfahrungen abzurunden, indem ich sie auf Gott beziehe…
Zweimal geht es im heutigen Evangelium um Umkehr. Ja, es ist ein Stopp, ein wirklich neuer Schritt in eine neue Richtung, wenn ich mich erinnere, wem ich mich verdanke. Jesus fehlte etwas, als die anderen neun nicht kamen – und auch mir würde ohne Danken was fehlen – vielleicht nicht heute und morgen, aber doch langfristig.
Und, damit ich es nicht vergesse,
für den Anfang und das Ende
und die paar Minuten dazwischen
inständigen Dank.
Evangelium nach Lukas (Lk 17, 11-19)
Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein. Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme.
Er warf sich vor den Füßen Jesu zu Boden und dankte ihm. Dieser Mann war aus Samarien. Da sagte Jesus: Es sind doch alle zehn rein geworden. Wo sind die übrigen neun?
Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.