"Katholiken müssen von den Ostkirchen lernen"
Erst wenige Wochen ist das Ostkircheninstitut der Diözese Regensburg alt, doch Direktor Pater Dietmar Schon hat schon eine genaue Vorstellung, wo es hingehen soll. Im Interview mit katholisch.de verrät er, was er sich für die ersten Monate vorgenommen hat und welche besonderen Verbindungen es zwischen dem Bistum Regensburg zu den Ostkirchen gibt. Um das seit Jahrhunderten schwierige Verhältnis zwischen Katholiken und Ostkirchen zu verbessern, sieht er vor allem einen Weg.
Frage: Warum leistet sich das Bistum Regensburg ein eigenes Ostkircheninstitut?
Schon: Das beruht auf einer Tradition hier in Regensburg, die zurückgeht bis auf die Zeit kurz nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Damals wollte der frühere Diözesanbischof Rudolf Graber den Auftrag des Konzils aufgreifen und die Kontakte zur Ostkirche verbessern. Daraus entwickelte sich das "Ostkirchliche Institut Regensburg". Es gab zum Beispiel ein Stipendien-Programm im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, das bis vor wenigen Jahren hier in Regensburg durchgeführt worden ist. Dennoch brauchte es jetzt einen Neustart.
Frage: Warum diese Zäsur?
Schon: Während das Vorgängerinstitut streng genommen auf eine private Initiative zurückging, gliedert sich der Nachfolger nun in die Struktur des Bistums Regensburg ein. Und die "Zäsur", wie Sie es nennen, ist natürlich auch verbunden mit einer inhaltlichen Neukonzeption. Die ökumenische Landschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Der eiserne Vorhang ist gefallen, die Kirchen können sich heute unter ganz anderen Voraussetzungen begegnen. Durch eigene Gemeinden und eigene Bistümer ist die Orthodoxie auch im Westen zu einem wichtigen Faktor geworden. Es gibt jetzt also ganz andere Voraussetzungen für die Arbeit des Instituts. Darauf wollen wir eine Antwort geben.
Frage: Welche konkreten Aufgaben hat das Ostkircheninstitut?
Schon: Es gibt eine akademische und eine praktisch-ökumenische Schiene: Auf der praktischen Ebene sollen Kontakte zu den Orthodoxen im Bistum aufgebaut werden — aber auch zu deren Bischöfen und Patriarchen, die an anderen Orten leben. Wir wollen Querverbindungen zu den verschiedensten Einrichtungen knüpfen und nach Möglichkeiten einer praktischen Zusammenarbeit suchen. Das beginnt in Regensburg und reicht darüber hinaus, bis in die jeweiligen Zentren der Ostkirchen.
Frage: Und was ist mit der akademischen Ebene?
Schon: Da haben wir Katholiken einen Nachholbedarf, uns mit den Ostkirchen auseinanderzusetzen. Deshalb gehört mein Lehrauftrag an der Regensburger Universität mit zur Aufgabenstellung des Instituts. Ein wissenschaftliches Symposium Anfang September hat dafür den Startschuss gegeben. Namhafte akademische Lehrer aus West und Ost haben sich dort miteinander auseinandergesetzt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind ja in ganz Osteuropa orthodoxe Fakultäten neu errichtet worden, die jetzt regelrecht aufblühen. Das Ostkircheninstitut will sich speziell um eine Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen bemühen. Das können gemeinsame Forschung und Projekte sein, aber auch gegenseitige Besuche, Vorträge oder Podiumsdiskussionen. Das große ökumenische Problem ist ja, eine Entfremdung zu überwinden. Und dabei geht es nicht nur um dogmatische Unterschiede, sondern auch darum, nach einer langen Zeit des Schweigens wieder miteinander vertraut zu werden.
Zur Person
Pater Dr. Dietmar Schon O.P. hat in Wien Theologie studiert und dort seine Leidenschaft für die Ostkirchenkunde entdeckt. Auch die Dissertation drehte sich um die Ostkirchen, ein Thema, das den Ordensmann seither in seinem Beruf begleitet.Frage: Wie kam es zu diesem Schweigen?
Schon: Das ist ein komplizierter Prozess über mehr als 1.000 Jahre. Man ist sich fremd geworden: Die Sprachen haben sich auseinanderentwickelt, die Theologien ebenfalls, die jeweiligen eigenen Akzente haben zugenommen. Das alles wäre an sich noch kein Problem. Es ist nur leider nicht gelungen, sich darüber auszutauschen, die Entwicklungen der jeweils anderen Seite wahrzunehmen und richtig zu verstehen. So sind die Kirchen in eine Sprachlosigkeit gekommen, aus der sich Entfremdung und Spaltung entwickelten. Und die politische Trennung durch den eisernen Vorhang hat ihr Übriges dazu getan.
Frage: Wie ist denn der Stand der Ökumene mit den Ostkirchen heute?
Schon: Die Ökumene ist auf vielen Ebenen schon viel dynamischer als noch vor 20 oder 30 Jahren. Es gibt inzwischen sehr viele Bereiche, in denen man sich begegnet. Kurzum: Die Kommunikation hat zugenommen und damit auch das Wissen um die gegenseitigen Standpunkte. Das gibt eine sehr gute Basis, um weiterzusuchen nach den Wegen zur Einheit.
Frage: Was haben Sie sich für die ersten Monate Ihrer Amtszeit vorgenommen?
Schon: Ich bin schon dabei, das Institut in die Orthodoxie hinein zu vernetzen, Gespräche zu führen, auch viel hinzuhören, wo in Ostkirchen Bedarf gesehen wird, wo es noch große Distanzen gibt, aber sich die Sichtweisen möglicherweise auch treffen können. Daraus werden sich hoffentlich bald konkrete Projekte ergeben.
Frage: Stößt das Institut denn auf Seiten der Orthodoxie schon auf ein größeres Interesse?
Schon: Das Institut wurde ja gerade erst gegründet. Es muss erst einmal bekannt werden. Aber in den Gesprächen, die ich bisher geführt habe — und das waren schon einige — bin ich auf sehr viel Interesse gestoßen. Es gab durchaus schon konkrete Vorschläge für eine Zusammenarbeit.
Frage: Wie ergänzen sich die Arbeit des Regensburger Ostkircheninstituts und des Johann Adam Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn?
Schon: Das Möhler-Institut ist wesentlich größer angelegt und hat speziell die Ökumene im Blick. Es richtet sich aber auch an die Kirchen der Reformation, nicht nur die Ostkirchen. Wir als Ostkircheninstitut widmen uns nicht nur ökumenischen Fragestellungen. Es geht wie gesagt auch um ein Verständnis der Orthodoxie an sich, dessen wie sie sich entwickelt, wie sie sich ausdrückt. Nicht nur bei uns, sondern auch in der Orthodoxie entwickeln sich ganz neue theologische Ansätze. Das Ostkircheninstitut will also dazu beitragen, dass wir Katholiken auch sehen, was andere leisten und dass wir davon lernen.