Zwischen Kofferträger und Grauer Eminenz
Die Privatsekretäre der Päpste sind eine besondere Spezies: Offiziell ist ihr Posten im vatikanischen Stellenplan gar nicht vorgesehen, sie tragen in der Regel weder Mitra noch Purpur, haben aber oft mehr Einfluss als viele Bischöfe und Kardinäle. Sie werden ebenso bewundert wie beargwöhnt. Ihr Arbeitsalltag bewegt sich irgendwo zwischen "Mädchen für alles", Kofferträger, Brieföffner, Einflüsterer und Türsteher.
Neues Licht auf die Männer "Im Schatten der Päpste" wirft nun das gleichnamige Buch der langjährigen Vatikan-Korrespondentin Christa Langen-Peduto mit Fotos von Josef Albert Slominiski. Vom deutschen Jesuiten Robert Leiber, der nicht im strengen Sinne Privatsekretär, aber ein enger Vertrauter von Pius XII. (1939-1958) war, bis hin zu den beiden namentlich kaum bekannten Sekretären von Papst Franziskus reichen die umfassend bebilderten Kurzporträts. Aufschlussreich sind vor allem die Skizzen über die Privatsekretäre von Paul VI. (1963-1978) und Johannes Paul I. (1978).
Keine feste Stellenbeschreibung
Den idealtypischen Privatsekretär, so viel lässt sich nach der Lektüre des 112 Seiten umfassenden Werks sagen, gibt es offenbar nicht. Werdegänge, Amtsausübung und Temperamente sind höchst unterschiedlich. Das Spektrum reicht vom Hochschullehrer Leiber, der so sehr im Hintergrund blieb, dass von ihm nicht einmal öffentliche Fotos mit Pius XII. existieren, bis hin zum omnipräsenten Stanislaw Dziwisz, der in der Endphase des Pontifikats von Johannes Paul II. zu einem der einflussreichsten Männer im Vatikan aufstieg. Aus dem Schatten der Päpste heraus traten nach dem Zweiten Weltkrieg nur zwei Privatsekretäre: Dziwisz und Georg Gänswein, der Privatsekretär von Benedikt XVI. (2005-2013).
Häufig war der Posten ein Karrieresprungbrett. Allerdings fielen die Sprünge recht unterschiedlich aus. Während Dziwisz bereits kurz nach dem Tod von Johannes Paul II. (1978-2005) Erzbischof von Krakau und im folgenden Jahr schon Kardinal wurde, beendeten die Privatsekretäre von Johannes XXIII. (1958-1963), Loris Capovilla, und Paul VI., Pasquale Macchi, ihre berufliche Laufbahn als Bischöfe in der italienischen Provinz. Pater Leiber erhielt keine höheren Weihen und wirkte weiter als Professor für Kirchengeschichte an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Der Privatsekretär des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I., Diego Lorenzi, ging als Missionar auf die Philippinen.
Facettenreicher Alltag
Der Arbeitsalltag konnte sehr facettenreich sein. Der Privatsekretär von Paul VI. zeigte Leibwächter-Qualitäten, als er sich 1970 in Manila vor seinen Dienstherren warf, um ihn vor dem Dolchangriff eines Attentäters zu schützen. Derselbe Privatsekretär soll von Paul VI. zwei Jahr später nach Deutschland geschickt worden sein, um dort Geld für die Bezahlung des deutschen Malers Ernst Günter Hansing aufzutreiben. Der hatte Paul VI. porträtiert, jedoch noch keine Entlohnung erhalten. Auch über die Päpste erfährt der Leser manch interessantes Detail. So sagte Johannes Paul I. zu seinem Sekretär stets, er mache eine "Luftpause wie im Gefängnis", wenn er nachmittags allein auf der Dachterrasse des Apostolischen Palasts spazieren ging. Langen-Peduto hat mit drei Privatsekretären Interviews geführt, unter ihnen auch Gänswein.
Franziskus brach auch in Sachen Privatsekretäre mit einer Tradition. "Ich entscheide selbst, wen ich sehen muss, und nicht meine Sekretäre", soll er seinem langjährigen Freund, dem argentinischen Schriftsteller Jorge Milia, anvertraut haben. Die Privatsekretäre hätten die Päpste oft zu "Gefangenen" gemacht, zitierte ihn Milia.
Franziskus' Konsequenz daraus: Die beiden Geistlichen, die er an seine Seite rief, treten nur selten mit dem Papst auf, ihre Namen sind in der Öffentlichkeit kaum bekannt: der Argentinier Fabian Pedacchio Leaniz und der Ägypter Yoannis Lahzi Gaid. Mit dem katholischen Kopten machte Franziskus erstmals einen Geistlichen zum Sekretär, der nicht der römisch-katholischen Kirchen angehört.