Kontinuität und Bruch
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Heute vor 51 Jahren stimmten die Konzilsväter mit großer Mehrheit Nostra aetate zu, der Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Kein rundes Jubiläum, aber ein bedeutendes: Denn bei aller Kontinuität in Glauben und Lehre vor und nach dem Konzil stellt sie doch einen klaren Bruch dar.
Undenkbar noch kurz zuvor die Wertschätzung, die den Juden entgegengebracht wird – nicht mehr von "Gottesmördern" und "jüdischer Treulosigkeit" ist dort die Rede, stattdessen wird das Band betont, "wodurch das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist".
Undenkbar noch kurz zuvor, nach Jahrhunderten von Kriegen zwischen Christentum und Islam, im Gott der Muslime den Gott Abrahams und Jesu zu erkennen.
Undenkbar noch kurz zuvor, nichtchristliche Religionen nicht als bloß heidnisch und defizitär zu sehen, sondern in ihnen "einen Strahl jener Wahrheit [zu] erkennen […], die alle Menschen erleuchtet".
Nostra aetate und noch deutlicher die wenige Wochen danach beschlossene Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, sind nicht einfach nur eine Weiterentwicklung der bestehenden Lehre. Sie sind eine Neubewertung der alten Lehre im Licht des Evangeliums – und der mutige Schritt, Fehler zu korrigieren, obwohl sie vom Lehramt selbst als Lehre gesetzt waren. Die Konzilsväter, die selbst den "Antimodernisteneid" auf die Lehrverurteilungen Pius IX. geschworen hatten, wussten sehr klar, was sie da beschlossen: etwas neues, das dem alten widerspricht und es ins rechte Licht setzt.
Das ist nicht Beliebigkeit, gestern so, heute anders. Das ist gerade Treue zum Auftrag, die Wahrheit zu verkünden. Der Würzburger Bischof Josef Stangl drückte das im Streit um die Erklärung deutlich aus, als sie aufgrund politischer Erwägungen zu scheitern drohte: "In dieser Entscheidungsstunde des Konzils gilt: Nicht Diplomatie, nicht Taktik, nicht allzu große pastorale Klugheit, sondern Gerechtigkeit auf dem geraden Weg, 'die Wahrheit wird euch frei machen'."
Heute vor 51 Jahren haben die Konzilsväter eine wegweisende Erklärung beschlossen: eine Erklärung, die heute noch wichtig ist, wenn etwa in der Frage um die Anerkennung der Piusbrüder das Konzil zur Verhandlungsmasse wird, aber auch, wenn eine identitäre Engführung des Christentum in Andersgläubigen nur noch den Feind sehen will.