Kardinal Burke erklärt seinen Brief an Papst Franziskus

Wenn Kardinäle Klarheit fordern

Veröffentlicht am 15.11.2016 um 13:49 Uhr – Lesedauer: 
Der us-amerikanische Kardinal Raymond Leo Burke.
Bild: © KNA
Kirche

Bonn ‐ Seit Monaten diskutiert die Kirche über "Amoris laetitia". Im September forderten vier Kardinäle von Papst Franziskus eine Klärung von Streitfragen - ohne Erfolg. Am Montag wurde der Vorgang öffentlich.

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Kardinal Raymond Leo Burke hat die Motive des am Montag öffentlich gewordenen Schreibens an Franziskus erklärt. Mit der Forderung nach Klarheit vom Papst hätten er und seine drei Co-Autoren demnach einen Debattenaufruf an die ganze Kirche verbinden wollen. Burke äußerte sich am Montag kurz nach Veröffentlichung des Briefes gegenüber der US-Amerikanischen Gemeinschaft "Catholic Action for Faith and Familiy"; der Kardinal dient dem Thinktank als "bischöflicher Berater".

Der Tenor des Briefes ist eindeutig: Burke und seine Co-Autoren Joachim Meisner, Walter Brandmüller und Carlo Caffarra fordern vom Papst eine öffentliche Erklärung zu den vielfach geäußerten Zweifeln an den Aussagen von "Amoris laetitia". Das Papstschreiben enthalte "Unklarheiten, die wie schwer lösbare Knoten wirken und große Verwirrung stiften." Bereits im September hätten sich die Kardinäle deshalb direkt an Papst Franziskus gewandt, ohne jedoch eine Antwort erhalten zu haben. Auch von Seiten der Glaubenskongregation, deren Präfekt Kardinal Gerhard Ludwig Müller das Schreiben in Kopie erhalten habe, sei keine Reaktion erfolgt.

Folgt der Papst dem "Kasper-Vorschlag"?

In der Debatte um das im März veröffentlichte Dokument wird von vielen Kommentatoren die Auffassung vertreten, Papst Franziskus wolle die bisherige Praxis im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ändern. So hatte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn – unter Zustimmung des Papstes selbst – erklärt, man müsse die früheren Lehraussagen der Kirche im Lichte von "Amoris laetitia" lesen. Manche Beobachter sehen insbesondere in der vieldiskutierten Fußnote 351 die Umsetzung des sogenannten "Kasper-Vorschlags" durch den Papst: Der emeritierte deutsche Kurienkardinal tritt seit Langem für einen barmherzigen Umgang mit betroffenen Gläubigen unter individueller Betrachtung der konkreten Umstände ein.

Kardinal Walter Kasper im Profil
Bild: ©picture alliance/ROPI

Seit Langem wirbt der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper für einen barmherzigen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.

Besonders dieses Ansinnen stößt beim US-Kardinal Burke auf Kritik. Nach seiner Lesart würde Kaspers Idee zwangsläufig in einer unterschiedslosen Aufweichung der bisherigen Lehre münden: "In der Realität öffnet dieser Vorschlag die Tür für Jedermann, irgendeine Sünde zu begehen und ohne Buße die Heilige Kommunion zu empfangen." Daher könne "Amoris laetitia" auch nicht als lehramtliches Dokument gelten: "Ein Dokument mit diesen Fehlern kann nicht Teil der ewiggültigen Lehre der Kirche sein." Denn diese besagt bislang eindeutig: Wer gegen das sechste Gebot verstößt, etwa indem er trotz gültiger kirchlicher Ehe ein weiteres Mal standesamtlich heiratet, lebt im Stand der schweren Sünde und ist vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen.

Diese Klarheit fehlt den Kritikern von "Amoris laetitia", weshalb sie seit Veröffentlichung beharrlich auf ein Wort des Papstes pochen. So hatte sich Caffarra, Erzbischof von Bologna, bereits im Juli mit dem Wunsch um Aufklärung zu Wort gemeldet. Damals widersprach er insbesondere dem Ansatz von Schönborn: Auch das aktuelle Wort des Papstes sei im Licht der früheren Lehrsätze zu lesen, nicht nur umgekehrt, sagte Caffarra.

Brandmüller lehnt Einzelfallentscheidungen ab

Kirchenhistoriker Brandmüller legte bereits vor Erscheinen des nachsynodalen Schreibens eine "Interpretationshilfe" vor und sah sich in diesem Schritt später bestätigt. Ihm gehe es nicht darum, das Papstschreiben pauschal zu kritisieren; es sei "streckenweise sehr schön und spirituell in die Tiefe führend", erklärte er in einem Interview im Mai. Allerdings müsse der These, man könne im Umgang mit Wiederverheirateten Einzelfallentscheidungen treffen, widersprochen werden: "Was aus Glaubensgründen grundsätzlich unmöglich ist, ist es auch im Einzelfall."

Trotz solcher teilweise sehr eindringlichen Beiträge blieb die Debatte um die Verbindlichkeit von "Amoris laetitia" bislang weitgehend folgenlos. Franziskus beschränkte sich darauf, einzelne Interpretationen als gelungen zu bezeichnen, ohne ihnen jedoch eine Allgemeingültigkeit zu attestieren.

Linktipp: "Amoris Laetitia": Kardinäle bitten Papst um Klärung

Mehrere Kardinäle haben an den Papst appelliert, mehr Klarheit über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zu schaffen. Dazu haben sie konkrete Fragen zum Schreiben "Amoris laetitia" formuliert.

Trotz allem außergewöhnlich scheint der Schritt der vier Kardinäle, ihr persönliches Schreiben an den Papst in dieser Sache öffentlich zu machen. Burke verteidigt dieses Vorgehen mit dem Hinweis, man habe im Sinne einer "brüderlichen Ermahnung" auch erst einige Zeit abgewartet, um Franziskus Gelegenheit zur Reaktion zu geben. Da eine solche bislang ausgeblieben sei, hofften sie nun auf eine noch größere Debatte:  "Indem wir unser Gesuch um Klarheit der Lehre und pastoralen Praxis öffentlich machen, hoffen wir, dass es eine Debatte unter allen Katholiken auslöst, insbesondere unter unseren Brüdern im Bischofsamt", so Burke. Jeder Getaufte sollte sich schließlich mit Fragen des Lehramts und der Sakramente auseinandersetzen.

Burke: "Unser Handeln ist zutiefst loyal"

Der Wunsch an den Papst, auf die geäußerten Zweifel zu reagieren, besteht laut Burke jedoch weiterhin. "Seine Stimme, die Stimme des Nachfolgers Petri, kann alle Fragen bei diesem Thema ausräumen." Dass die Kardinäle diese Forderung öffentlich gemacht haben, sei dabei nicht als Ausdruck mangelnder Loyalität gegenüber dem Papst zu verstehen. "Unser Handeln ist zutiefst loyal gegenüber allem, was der Papst repräsentiert und in seiner offiziellen Funktion zu verteidigen hat", so Burke. Franziskus habe zudem wiederholt zu einer offenen Sprache in der Kirche aufgerufen. "Wir sind aufrichtig mit dem größten Respekt vor dem Amt des Heiligen Vaters und üben so, im Licht unseres Gewissens, die Offenheit und Verantwortung aus, welche die Kirche mit Recht von uns erwartet."

Nicht zuletzt als Kardinal habe Burke schon von Amts wegen eine Pflicht zur Offenheit. "Ich wurde nicht zum Kardinal kreiert um einen Ehrenposten zu erhalten", erklärte der Kardinalpatron des Malteserordens. "Ich würde meine Pflicht als Kardinal und damit als Berater des Papstes nicht erfüllen, wenn ich bei einem so wichtigen Thema still bliebe", folgerte Burke.

Von Kilian Martin

Themenseite: Familiensynode

Im Herbst 2014 und 2015 haben sich zwei Bischofssynoden im Vatikan mit Ehe und Familie beschäftigt. Im April 2016 erschien dazu das päpstliche Dokument "Amoris laetitia". Die Themenseite bündelt die Berichterstattung zu den Synoden.