Alexander Görlach über Stil und Wirken des Papstes

Franziskus, der Populist

Veröffentlicht am 14.12.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Berlin ‐ Alexander Görlach über Stil und Wirken des Papstes

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Papst Franziskus erfüllt alle Kriterien eines Populisten. Das Handwerkszeug dieser Gruppe Mensch gleicht sich - egal, ob sie für eine bestimmte politische oder andere Weltanschauung stehen: das Prinzip der Vereinfachung wird begleitet von Attacken auf die Institutionen, die den Populisten tragen. In dieser Hinsicht gab es keinen Unterschied zwischen Bernie Sanders und Donald Trump. Und in diesem Sinne spielt auch der Pontifex in derselben Liga.

Der Papst "überraschte" die Vertreter der alten Ordnung im Vatikan vom Moment seiner Wahl an: er trug nicht die vorgesehenen Gewänder, er zog in das Gästehaus des Vatikan. Jüngst wurden die Gärten der Residenz in Castel Gandolfo für die Öffentlichkeit geöffnet. Sein erster Besuch als Papst galt der "Flüchtlingsinsel" Lampedusa, er hat Frauen und Muslimen am Gründonnerstag die Füße gewaschen.

Diese Zeichen und Gesten fügen sich, ähnlich wie bei Sanders und Trump, nicht in ein Gesamtbild, in ein Konzept, in eine Vision. Wenn der Papst Klerikalismus anprangert aber selbst, so sagen es Beobachter im Vatikan, seine Neuerungen und Ideen - wie das zu Ende gegangene Jahr der Barmherzigkeit - mit Verweis auf seine päpstliche Autorität ins Werk setzt, wie entsteht dann ein glaubwürdiges, ganzheitliches Bild des Papstes?

Die Kirche ist, grob gesprochen, gespalten in ein Lager des Benedikt und ein Lager des Franziskus. Die Zuspitzung wurde schon unter Benedikt XVI. sichtbar, der sich den Piusbrüdern mit der Absicht zuwandte, ein Schisma in der Kirche zu heilen. Das hat er sicher nicht gemacht, weil er die Piusbrüder so mag, sondern, um weitere Schismen zu verhindern.

Die große katholische Weltgemeinschaft ist durch Globalisierung und Digitalisierung ebenso unter (Modernisierungs-)Druck wie andere Kirchen - wie die Anglikanische - oder politische Gruppen und Parteien. Franziskus hat den Applaus der liberalen Elite und des einfachen Kirchenvolkes, das er mit seiner Botschaft begeistert. Noch steht aus, ob er die vielen losen Enden seiner Äußerungen in ein Ganzes zu gießen gedenkt beziehungsweise, ob er dazu in der Lage ist.

Von Alexander Görlach

Der Autor

Alexander Görlach ist Visiting Scholar an der Harvard Universität in den USA. Der promovierte Linguist und Theologie forscht dort im Themenfeld Politik und Religion. Zuvor war Görlach der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins "The European". Er ist Kolumnist der Wirtschaftswoche.

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