Bischöfe warnen vor Spaltung der Gesellschaft
Die deutschen Bischöfe haben zu Weihnachten zu einem friedlichen gesellschaftlichen Miteinander aufgerufen. Nach dem Anschlag von Berlin verurteilten sie Gewalt im Namen von Religion.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bezeichnete das Weihnachtsfest als "Mutmacher zum Leben". Der Ruf "Fürchtet Euch nicht" der Weihnachtsnacht ziehe sich wie ein roter Faden durch die ganze Heilige Schrift, sagte Marx an Heiligabend im Münchner Liebfrauendom. Gott mache sich im Kind von Bethlehem selbst zum Bruder aller Menschen. "Wenn wir mit gläubigen Augen auf dieses Kind schauen, fassen wir neuen Mut", zeigte sich der Kardinal überzeugt.
Für den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, ist Weihnachten nicht fern von Leid: Der in einer ärmlichen Futterkrippe geborene Jesus werde als Erwachsener gefoltert und am Kreuz hingerichtet. "Wir sind aber davon überzeugt, dass das Leid nicht das letzte Wort hat", so der bayerische Landesbischof. Er zeigte sich beeindruckt von den Reaktionen vieler Menschen auf den Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am Montagabend. "Ich finde, die Menschen gehen sehr reif damit um."
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Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst erklärte, jede Form von Gewalt widerspreche dem Bild Gottes vom Menschen. "Ebenso unfassbar wie Attentate islamistischer Terroristen ist für mich der Hass von Extremisten hierzulande, der jenen entgegenschlägt, die aus den Krisenregionen fliehen und die auf unserer Mitgefühl angewiesen sind."
Auf die Doppeldeutigkeit der Nacht ging der Mainzer Weihbischof Udo Markus Bentz in seiner Predigt in der Christmette im Mainzer Dom ein. Derzeit erlebten wir oft schwarze Nächte "durch sinnloses Morden, rohe Gewalt und perfide Attentate", sagte Bentz. Die Nacht könne durch die Geburt Jesu aber auch eine hoffnungsvolle Zeit sein. "Gerade jetzt kommt es darauf an, dass wir den Ressentiments und den Ängsten nicht die Macht überlassen", sagte Bentz mit Blick auf den Terroranschlag von Berlin.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sagte, in der Krippe von Bethlehem verbinde sich Gott mit der Erbärmlichkeit des Menschen: "Im Stall bleibt er bei den Obdachlosen, auf der Flucht geht Gott an der Seite aller Flüchtenden, mit den Gefolterten lässt er sich blutig schlagen." Weihnachten sei für Christen eine Aufforderung zum Widerstand, "wo die unbedingte Würde eines Menschen gefährdet oder geschändet ist".
Einen Trost sieht der Bischof von Görlitz, Wolfgang Ipolt, darin, dass Gott "sich nicht scheut, in diese unheile Welt einzutreten". Zugleich wolle Gott die Menschen mit seinem Kommen zum Mittun bei der Rettung der Welt gewinnen.
Für den Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr ist Jesus in die Welt gekommen, um die Menschen "zu einer Zivilisation der Gerechtigkeit und des Friedens zu befähigen". Der Weihnachtsfriede bedeute "nicht nur Abwesenheit von Krieg oder gerechten Ausgleich der Interessen, sondern behutsamen Umgang mit der Verletzlichkeit des Anderen und die Bereitschaft, Vergebung zu erbitten und zu gewähren".
Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen sagte, durch die Geburt Jesu bekämen die Menschen ein "Ansehen" und eine "unzerstörbare Menschenwürde, die uns nichts und niemand nehmen kann". Ganz am Rande, dort wo die Hirten lebten, strahle Gottes Herrlichkeit auf und beginne die Rettung der Welt. 2016 feierten die Christen Jesu Geburt in einem Jahr entsetzlicher Gewalt und Terroranschläge. Daneben sieht Algermissen aber auch negative Entwicklungen im Lebensschutz. So sei im September in Belgien ein minderjähriger unheilbar kranker Junge durch aktive Sterbehilfe getötet worden. "Und die Proteste blieben aus", empörte sich Algermissen.
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Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße warnte vor negativer Stimmungsmache in der Gesellschaft. Zwar seien persönliche Gefühle und Emotionen gut und wichtig, heißt es in seiner Weihnachtspredigt. "Nur dürfen wir uns von ihnen allein nicht bestimmen lassen." Das Christentum setze auf Fakten und Wahrheiten. "Jesus Christus ist keine Legende oder abstrakte Idee, sondern eine konkrete Person, ein Mensch."
Zu einem vertrauensvollen Miteinander rief auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck auf. "In diesen Tagen leben ganz viele Menschen mit vielen Ängsten und großen Sorgen, eben in schwierigen Zeiten". Da lohne es sich, Vertrauen neu zu lernen.
Bischof Norbert Trelle aus Hildesheim kritisierte das lauter werdende "Fürchtet Euch" der "Unglückspropheten". Dem setze Weihnachten den Ruf der Engel entgegen: "Fürchtet Euch nicht, auf fremde Menschen zuzugehen. Fürchtet Euch nicht, einzutreten für die Würde und das Lebensrecht jedes Einzelnen. Fürchtet Euch nicht, dem anderen zuzuhören, um zu erfahren, was er zu sagen hat."
In Regensburg betonte Bischof Rudolf Voderholzer, dass Hass und Terror kein Argument gegen Weihnachten seien. Vielmehr werde nun sichtbar, "wie notwendig wir Weihnachten brauchen". Die wichtigsten Dinge wie Gesundheit, Liebe, Zuneigung und auch den Frieden gebe es nur geschenkt.
Im Kind von Bethlehem hätten die Menschen einen "göttlichen Bruder", betonte der Bischof von Passau, Stefan Oster. Jesus mache deutlich, dass man dem Fremden, dem Flüchtling, dem Leidenden und dem Ausgestoßenen liebevoll begegnen könne und auch den Gewalttätern nicht mit Hass begegnen solle.
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke sagte, dass Gott Mensch geworden sei, um in die dunklen und schäbigen Zonen der Welt zu gehen. Er komme zu den Sündern, Armen und Kranken sowie zu den vom Leben Bestraften. Dabei nehme er auch die Ablehnung der Menschen in Kauf.
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann warnte vor Populisten, die Angst, Aggression oder Hass schürten und so versuchten, die eigene Wahrheit durchzusetzen. In der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion komme es oft nicht mehr so sehr auf Fakten an; entscheidend sei offenbar die gefühlte Wahrheit, sagte Ackermann im Trierer Dom.
Ähnlich sieht das der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Nach seiner Ansicht braucht die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mehr Wahrhaftigkeit. Fakten, Argumente und sachliche Diskussionen träten oft gefährlich in den Hintergrund, kritisierte er in seiner Predigt am ersten Weihnachtstag im Osnabrücker Dom. Das Faktum der Geburt Jesu erinnere jedoch insbesondere Christen daran, ihr Leben und Handeln an Christus auszurichten.
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger zeigte sich besorgt über die sprachliche Verrohung im Internet. Er frage sich manchmal, "wohin das führen soll", sagte Burger im Freiburger Münster. Doch an Weihnachten könne der "Sieg der Liebe Gottes" gefeiert werden.
Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, bat darum, "dass wir uns nicht verwirren lassen, blinde Menschenverachtung nicht mit Menschenverachtung und Hass nicht mit Hass beantworten". Auch dürfe man nicht in die "vernehmbaren Hetzparolen" einstimmen. Wer Weihnachten feiere, bezeuge damit, dass die christliche Botschaft stärker sei als Terror, Angst und Hass.
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Münsters Bischof Felix Genn nannte Weihnachten ein "hoch politisches und sehr gesellschaftskritisches Fest", das die Würde des Menschen wieder herstelle. Gott sei sich nicht zu schade, ein Mensch zu werden und habe damit „eine höhere Meinung von uns Menschen, als wir sie selber haben". In den weihnachtlichen Gebeten bejahe die Kirche "die Würde des Menschen, die Würde der Schöpfung", so Genn weiter.
Auch für den Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann ist das Weihnachtsfest "viel politischer, als wir es von der Idylle unserer Krippenlandschaften kennen." Das kleine Kind in der Krippe stehe im Kontrast zum mächtigen Kaiser jener Zeit, so Wiesemann. Dennoch würden die Christen glauben, in Jesus den Retter der Welt sehen zu können. Dies sei eine Vision, die auch bei der Bewältigung der aktuellen Probleme eine wichtige Hilfe sei, so Wiesemann weiter.
Nach Ansicht des Magdeburger Bischofs Gerhard Feige betrifft die Weihnachtsbotschaft alle Menschen, "ob sie nun an Gott glauben können oder nicht". Er rief die Christen zum Bekenntnis ihres Glaubens auf. "Haben wir den Mut, unsere religiösen Überzeugungen und Gefühle nicht schamhaft zu verbergen", sagte Feige.
"Gott ist Vater geworden. Er hat ein Kind bekommen. Maria hat es zur Welt gebracht. Es ist Gottes Sohn", so begann Erzbischof Hans-Josef Becker seine Predigt. Mit diesen einfachen Worten könne das Geheimnis von Weihnachten beschrieben werden. Gott "versteht uns, weil er wie wir geworden ist", sagte Becker. Wir Christen müssen "Weihnachten in unserem Umgang mit den Menschen gerecht werden, das ist die Größe unseres Glaubens", schlussfolgerte der Paderborner Erzbischof. Alles Menschliche müsse geschützt und verteidigt werden.
Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann beklagte, das Weihnachtsfest und die gegenwärtige Kultur seien zu konsumorientiert. In der Gesellschaft sei „das Wertesystem des Marktes in alle Bereiche menschlicher Bemühungen eingedrungen“. An Weihnachten zeige sich aber, dass nicht das Gesetz des Marktes unser Denken und Handeln bestimmen solle, "sondern die Liebe Gottes".
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Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick nahm das Schicksal der Kinder weltweit in den Blick. Bei der Christmette im Heinrichsdom in Bamberg erinnerte er an kinderreiche Familien in Deutschland, in denen viele Mädchen und Jungen "bettelarm" seien. Kinderreichtum und Armut gehörten leider Gottes oft zusammen. Dies müsse unbedingt abgestellt werden.
Für das Recht der freien Religionsausübung sprach sich der neue Aachener Bischof Helmut Dieser aus. Der Übertritt von einer Religion zu einer anderen müsse auch in muslimisch geprägten Ländern möglich sein, so Dieser.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erklärte, die Menschen sollten nicht zuerst den Gegensatz oder die Angst wahrnehmen. Es komme vielmehr darauf an, im anderen "einen Mensch wie mich selbst" zu sehen: bedürftig und voller Hoffnung auf ein gutes oder besseres Leben.
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Es sei keine Promi-Geburtsgeschichte, die an Weihnachten erzählt werde, nur um vom Alltag abzulenken, sondern viel mehr: "Hier wird Geschichte geschrieben. Hier wird uns ein Aufatmen geschenkt", sagte neuer Limburger Bischof Georg Bätzing bei seiner Predigt am ersten Weihnachtstag im Hohen Dom.
Auch nach den Worten des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa darf Weihnachten nicht als rührseliges Idyll verstanden werden. Wer Weihnachten als Verdrängung der Realität, als weltflüchtige Harmonie abtue, "der kann angesichts dessen, was uns täglich um die Ohren fliegt, wirklich nur verzweifeln", schreibt Zdarsa in der "Katholischen SonntagsZeitung". Das Fest müsse vielmehr als als tröstendes Trotzdem verstanden werden. (sth/gho/rom/KNA)
25.12.2016, 14.45 Uhr: ergänzt um 12 Predigten