Ein altes Bistum wird 200
Im katholischen Bistum Speyer ist manches anders. Der gemütliche Lebensstil der Pfälzer macht das Leben oft leichter und unbeschwerter als anderswo. Und ein Schoppen von der Weinstraße hat schon oft bei der Klärung vermeintlich unlösbarer Probleme geholfen.
Die Stadt am Rhein ist kirchlich eine Besonderheit. Obwohl die Nachbarbistümer im Osten Freiburg und im Norden Trier und Mainz heißen, gehört Speyer zur Bayerischen Bischofskonferenz. Das dazu gehörende Erzbistum heißt - Bamberg. Denn in seinen heutigen Grenzen war das Bistum Speyer als Folge der napoleonischen Wirren 1817 in den Grenzen des bayerischen Rheinkreises neu errichtet worden. Die Neugründung vor 200 Jahren feiert die Diözese am Pfingstwochenende Anfang Juni. Selbstverständlich ausgiebig.
Speyer gehört zu den ältesten deutschen Bischofssitzen. Bereits für das Jahr 346 ist, historisch allerdings nicht ganz unumstritten, ein Bischof belegt. Die erste christliche Gemeinde entstand demnach Ende des dritten Jahrhunderts. Mit Bischof Hilderich beginnt im siebten Jahrhundert indes die ununterbrochene Reihe der Speyerer Bischöfe.
Im elften Jahrhundert endete im Deutschen Reich die Zeit der Ottonen, die Herrschaft der Salier begann: Kurz nach seiner Wahl zum deutschen König fasste Konrad II. den Plan, mitten im Herrschaftsgebiet eine gewaltige Kirche zu errichten. Unter seinem Enkel, Kaiser Heinrich IV., wurde der Speyrer Dom schließlich 1061 geweiht. Für die Salier war das Marienpatrozinium, also das Verehren der Gottesmutter, entscheidend für das eigene Herrschergeschlecht. Maria als "transzendente Mutter", durch die sich die Kaiser und Könige einer Christusdynastie zugehörig sahen. Bis heute sichtbarer Beweis dieses Selbstverständnisses ist die Grablege der Kaiser im Mariendom.
"Sonnenkönig" setzte den Dom in Flammen
Historisch bedeutsam ist der Besuch des Zisterziensermönchs Bernhard von Clairvaux, der von Speyer aus zum zweiten Kreuzzug aufrief. Von den mehr als 50 Reichstagen in der Stadt am Rhein ist der von 1529 hervorzuheben, als die evangelischen Fürsten und Städte für eine ungehinderte Ausbreitung der Lehre Martin Luthers eintraten. Erstmals wird im 16. Jahrhundert in Speyer der Begriff "Protestanten" genannt - seitdem ein gern gebrauchter Begriff für die evangelischen Christen.
Der schlimmste Schaden traf den Dom 1689, als im pfälzischen Erbfolgekrieg Truppen des französischen "Sonnenkönigs" Ludwig XIV. die Kathedrale anzündeten. Auch in den folgenden Jahrhunderten folgten immer wieder Kriegsschäden und Wiederaufbaumaßnahmen.
Auch dem im nicht weit entfernten Ludwigshafen wohnenden Altkanzler Helmut Kohl liegt das romanische Gotteshaus aus persönlichen Gründen bis heute sehr am Herzen, war es doch in seiner Amtszeit fester Bestandteil im Besuchsprogramm für ausländische Staatsgäste - von König Juan Carlos über Michail Gorbatschow und Boris Jelzin bis zu George Bush und Vaclav Havel. 1987 kam Papst Johannes Paul II. bei seinem zweiten Deutschlandbesuch nach Speyer. Auch das Requiem für Kohls erste Ehefrau Hannelore fand im Dom statt.
Und Kohl ist es auch, der hinter der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer steht und der mit seinen internationalen Kontakten immer und immer wieder sehr viel Geld für den Erhalt der einstmals weltweit größten Kirche zusammentrommelt - das größte romanische Gotteshaus auf dem Globus ist der Dom bis heute.
So viel Ökumene wie nirgends
Ihre frühere Bedeutung büßte die Diözese schon in der Reformationszeit ein, als sie zwei Drittel ihres Gebietes an die protestantisch gewordenen Landesfürsten verlor. 1801 hatte das Bistum seine größte Ausdehnung: Linksrheinisch gehörten die Süd- und Vorderpfalz dazu. Weißenburg und Lauterburg, heute Teile des Elsass, waren ebenso Teil des Bistums wie rechtsrheinisch große Teile des heutigen Baden-Württemberg.
Heute gehören rund 584.000 Katholiken zur Diözese. Sie ist stark agrarisch geprägt und umfasst nur wenige größere Städte. Zu den weiteren Besonderheiten gehört die ökumenische Prägung. Begünstigt wird sie dadurch, dass die Landeskirche der Pfalz fast deckungsgleich mit dem Territorium der Diözese ist und auch die Mitgliederzahl ähnlich ist. Nirgends sonst in Deutschland sind dermaßen viele soziale Einrichtungen in ökumenischer Trägerschaft.
Ein Unikum ist auch der Domnapf vor dem Hauptportal des Kaiserdoms, eine 1.500 Liter fassende Steinschüssel, die ursprünglich die Grenzmarkierung zwischen den Hoheitsgebieten von Bischof und Stadt war. Geblieben ist bis heute der alte Brauch, den Napf bei besonderen kirchlichen Ereignissen mit einem "guten Fuder weißen oder roten Weines" zu füllen. Das passt.