Orthodoxe und koptische Christen feiern Weihnachten

Sicherheitsvorkehrungen und Gebet für Gewaltopfer

Veröffentlicht am 07.01.2017 um 13:30 Uhr – Lesedauer: 
Konfessionen

Bonn ‐ Orthodoxe und koptische Christen feierten Freitagabend Weihnachten. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. rief zum Gebet für Gewaltopfer auf, die ägyptischen Kopten feierten unter Sicherheitsvorkehrungen.

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Zum orthodoxen Weihnachtsfest hat der russische Patriarch Kyrill die Gläubigen zum Gebet für die Opfer tödlicher Katastrophen und Gewalt aufgerufen. Die Grenzen der menschlichen Logik erlaubten nicht, die Vorsehung Gottes zu verstehen, die Antwort liege im Gebet, sagte das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt dem TV-Sender Rossija 1 am Samstag in Moskau. Dabei bezog er sich auf den Anschlag auf den russischen Botschafter Andrej Karlow in der Türkei sowie den Absturz eines russischen Militärflugzeugs über dem Schwarzen Meer mit 92 Menschen an Bord Ende Dezember.

"Was für uns eine Tragödie ist, ist keine für Gott"

"Jedes Mal, wenn wir in Kontakt mit echter Trauer kommen, die unsere Seele berührt, stellen wir uns die Frage (nach dem Warum)", sagte Kyrill in einem Weihnachtsinterview. "Was für uns eine Tragödie ist, ist keine für Gott. Denn Gott ist in der Ewigkeit, er weiß, was mit dem Menschen nach dem Tod geschieht." Aber solange der Mensch auf Erden in seiner Logik von Trauer und Glück verhaftet bleibe, solange könne er diese Frage nicht beantworten.

Bild: ©KNA

Patriarch Kyrill I.

In Russland nahmen in der Nacht zum Samstag zahlreiche Gläubige an Weihnachtsgottesdiensten teil. Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit schätzungsweise rund 150 Millionen Anhängern die größte orthodoxe Gemeinde. Kyrill feierte in der Christus-Erlöser-Kathedrale, der prachtvollen Hauptkirche des Landes, in Sichtweite des Kremls. Das Kirchenoberhaupt rief die Menschen angesichts des digitalen Zeitalters dazu auf, weniger in der virtuellen Welt zu leben und sich mehr Zeit für den realen Kontakt zu den Menschen zu nehmen. Zugleich sprach er sich gegen Abtreibung aus. Kyrill gilt als eher konservativer Gelehrter und Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin. Kritiker werfen der Kirche eine zu große Nähe zum Staat vor.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen begingen unterdessen die koptischen Christen in Ägypten ihr Weihnachtsfest. An einem Gottesdienst mit Papst Tawadros II. in der Markus-Kathedrale in Kairo am Freitagabend nahm laut der ägyptischen Zeitung "Ahram Online" (Samstag) auch Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi teil. Dabei entschuldigte er sich den Angaben zufolge für Verzögerungen beim Wiederaufbau von Kirchen, die nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi im Jahr 2013 von dessen Anhängern attackiert und beschädigt worden waren. Zugleich kündigte er den Bau von Ägyptens größter Kirche und größter Moschee in der neuen Hauptstadt an, die rund 45 Kilometer südöstlich von Kairo entstehen soll.

Linktipp: Ein Spagat für viele Gläubige

Weihnachten ist vorbei, aber nicht für alle: Mehr als 200 Millionen Orthodoxe feiern die Geburt Jesu am 7. Januar. Der Grund dafür sind verschiedene Kalender. Viele Gläubige geraten deshalb in einen Konflikt.

Sisi warb für Vielfalt und Toleranz. Unterschiede zwischen den Menschen seien von Gott geschaffen und müssten respektiert werden. Er bete für Frieden und Stabilität in Ägypten, zitierte ihn die Zeitung. Zum Weihnachtsfest der Kopten waren nach dem Anschlag auf eine Kirche in Kairo Anfang Dezember die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden. Rund 150.000 Sicherheitskräfte seien rund um Kirchen und an öffentlichen Orten im Einsatz, berichtete die Zeitung "Gulf News" (Samstag) unter Berufung auf Sicherheitskreise. Vor Kirchen seien Eingangskontrollen eingerichtet worden, Sprengstoffexperten und Spürhunde seien im Einsatz, um Anschläge zu verhindern.

In der unmittelbar an die Markus-Kathedrale angrenzenden Kirche Sankt Peter und Paul hatte sich am 11. Dezember ein Selbstmordattentäter während eines Gottesdienstes in die Luft gesprengt und 27 Menschen getötet. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannte sich zu dem Anschlag. Vergangene Woche gab die ägyptische Polizei bekannt, man habe weitere Verdächtige festgenommen, darunter einen mutmaßlichen Drahtzieher des Attentats.

Franziskus: Licht und Frieden

In den dreieinhalb Wochen seit dem Anschlag wurde die Kirche von Soldaten der ägyptischen Armee wieder instand gesetzt. Die Arbeiten seien auf Anweisung der Regierung rechtzeitig vor dem koptischen Weihnachtsfest fertiggestellt worden, teilte die Armee laut ägyptischen Medienberichten mit. In Ägypten stellen sunnitische Muslime die große Mehrheit. Der Anteil der Kopten wird auf etwa 10 Prozent geschätzt. Seit Ende 2010 wurden ihre Kirchen wiederholt zum Ziel von Anschlägen islamistischer Extremisten. Die Zahl der Katholiken unter den rund 94 Millionen Einwohnern gibt der Vatikan mit 240.000 an. Papst Franziskus wünschte bereits am Freitag ein friedliches Fest. Zum Abschluss des Angelus-Gebets am Freitag auf dem Petersplatz sprach er im "Geist freudiger Brüderlichkeit" von einem Weihnachten "erfüllt von Licht und Frieden". (jml/dpa/KNA)

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