Was ist aus den Reformforderungen von Katholiken geworden?

Aufbruch in der Warteschleife

Veröffentlicht am 12.01.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Beim Abschlussgottesdienst des Katholikentags in Leipzig fordern Teilnehmer den Frauendiakonat
Bild: © KNA
Reform

Bonn ‐ Kürzlich sprachen sich elf Pfarrer in einem offenen Brief unter anderem für die Weihe von Frauen und gegen den Pflichtzölibat aus. Doch diese Forderungen sind nicht neu. Was hat sich inzwischen getan?

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Es habe keinen Sinn, den Heiligen Geist ständig um Berufungen zu bitten und gleichzeitig alle Frauen von diesen Ämtern auszuschließen – so argumentierten kürzlich elf Priester aus dem Erzbistum Köln in einem offenen Brief für die Priesterweihe für Frauen. Sie beschreiben auch ihre schwierigen Erfahrungen mit dem Zölibat, für dessen Abschaffung sie sich einsetzen: Die Ehelosigkeit führe zu Vereinsamung der Priester und sei eher selten spirituelle Quelle. Kritik äußern die Männer auch an der Bildung von Großpfarreien, die nur die vorherrschende Anonymisierung und Vereinzelung in der Gesellschaft fördere. Sie fordern, die gegenwärtige Krise mit Reformen beispielsweise des Priestertums anzugehen: "Wir sind uns einig, dass wir die Seelsorge nur dann retten können, wenn es zu einer Öffnung kommt", so Wolfgang Bretschneider, einer der Unterzeichner des Briefes.

Doch die Forderungen dieser Priester sind nicht neu. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren in Deutschland Aufrufe, Schreiben und Initiativen, die sich für Neuerungen in der Kirche aussprachen und dabei insbesondere den Zölibat, die Frauenordination und die Mitsprache von Laien in den Blick nahmen. 2012 etwa sprachen Pfarrer aus dem Erzbistum Köln, darunter ebenfalls Wolfgang Bretschneider, der österreichischen "Pfarrer-Initiative" ihre Unterstützung zu. In der Folgezeit fanden sich weitere Priester und Diakone aus verschiedenen Bistümern, die sich zu einem deutschen Ableger zusammenschlossen. Die Initiative österreichischer Pfarrer war 2006 gegründet worden, um Lösungen für drängende Probleme wie den Priestermangel und die Beauftragung von immer weniger Seelsorgern für immer mehr Gemeinden anzuregen.

Linktipp: Der Zölibat im Fokus

Die Aussagen des künftigen Kardinalstaatssekretärs, Erzbischof Pietro Parolin, zum Zölibat führen in der katholischen Kirche Deutschlands zu einer neuen Debatte über die verpflichtende Ehelosigkeit der Priester. Sowohl Gegner als auch Befürworter der aktuellen Regel melden sich zu Wort und bringen ihre Argumente vor. (Artikel von September 2013)

Die deutsche "Pfarrer-Initiative" treibt ähnliche Sorgen um, für deren Bewältigung nicht die Festlegungen durch das Kirchenrecht, sondern die "Lebendigkeit der christlichen Gemeinden" im Vordergrund stehen soll. Dabei will sie nicht nur auf die Belastung der Priester durch größere Pfarreien aufmerksam machen, sondern setzt sich gegen die Zusammenlegungen von Gemeinden ein und fordert zum Beispiel die Übertragung von Leitungsaufgaben an Laien. Die Geistlichen plädieren außerdem für die Zulassung von Diakoninnen und Priesterinnen sowie von Verheirateten zum Priesteramt und kündigen an, geschiedenen Wiederverheirateten und Mitgliedern anderer christlicher Kirchen nicht die Eucharistie zu verweigern.

Eine Reaktion auf die Vertrauenskrise

Das Memorandum "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" fand im Frühjahr 2011 einen großen öffentlichen Widerhall: Mehr als 300 katholische Theologieprofessoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz riefen darin zu tiefgreifenden Reformen in der Kirche auf. Sie wandten sich in ihrem Aufruf gegen "XXL-Pfarreien" und forderten unter anderem verheiratete Priester, Frauen im Priesteramt und mehr synodale Strukturen zur Beteiligung von Kirchenmitgliedern. Das Memorandum war als Reaktion auf die Vertrauenskrise der Kirche entstanden, die von den 2010 bekanntgewordenen Fällen von Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in katholischen Schulen ausgelöst worden war. Daher legten die Unterzeichnenden in ihrer Erklärung besonderen Wert auf die Freiheitsbotschaft des Evangeliums. Die Kirche werde nur dann dessen glaubwürdige Zeugin, wenn sie dem Menschen mit unbedingtem Respekt begegne, die Gewissensfreiheit achte, sich für Recht und Gerechtigkeit einsetze und mit Armen und Bedrängten solidarisch sei.

Linktipp: Nur ein "Aufbruch light"

Zölibat, Frauenpriestertum, mehr Mitbestimmung: Vor fünf Jahren, am 4. Februar 2011 forderten 300 Theologieprofessoren in einem Memorandum tief greifende Reformen in der Kirche. Wie steht es heute um den Aufbruch? Eine Bestandsaufnahme. (Artikel von Februar 2016)

Einzelpersonen meldeten sich zu diesen Themen ebenso zu Wort. Laut dem emeritierten Amazonasbischof Erwin Kräutler etwa dürfe eine Eucharistiefeier nicht davon abhängen, ob "zufällig ein zölibatär lebender Priester" vorhanden ist. Und zum Frauenpriestertum sagte er: "Unmöglich ist da gar nichts!" Der vatikanische Staatssekretär Pietro Parolin äußerte sich ähnlich über den Zölibat: Es sei "kein Dogma der Kirche, und man kann darüber diskutieren". Es gebe Möglichkeiten, "im Dienst der Einheit und gemäß dem Willen Gottes" über Änderungen nachzudenken. Mit den Fragen des Zölibats setzt sich auch der Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller immer wieder öffentlich auseinander. Als langjähriger Leiter des Recollectio-Hauses, in dem er sich vor allem um Geistliche in Lebenskrisen kümmerte, sei er vielen Priestern begegnet, die sich "aufgrund des geforderten zölibatären Lebensstils in einer großen seelischen Not befinden". Er forderte Papst Franziskus dazu auf, die obligatorische Ehelosigkeit der Priester aufzuheben – und auch Frauen für das Priestertum zuzulassen.

Obwohl diese Initiativen und individuellen Vorstöße stets Diskussionen auslösten – bewegt  wurde nicht viel. Der Weihe von Frauen erteilte nicht nur Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, eine Absage. Auch Papst Franziskus äußerte sich zu diesem Vorschlag mehrfach ablehnend. Die wiederkehrenden Debatten um den Zölibat verlaufen regelmäßig im Sande, ohne dass es Veränderungen gäbe. Einzig bei den Forderungen nach mehr Mitsprache für Laien hat sich in Deutschland etwas getan: In einigen Bistümern fanden in den letzten Jahren Dialog- oder Gesprächsprozesse statt, die den Gläubigen die Mitgestaltung bei der Zukunftsplanung ihrer Pfarreien ermöglichen sollten. Konkrete Ergebnisse gibt es jedoch noch nicht. Immerhin: Das Bistum Trier hatte zu Neujahr angekündigt, einen Vorschlag für die neue Umschreibung der pastoralen Räume auszuarbeiten – eine Folge der Trierer Bistumssynode. Bischof Stephan Ackermann kündigte außerdem eine aktivere Rolle für Gläubige an.

Von Johanna Heckeley