"Angst vor Fremden geschürt"
Dem Ergebnis der Abstimmung entsprechend muss der Schweizer Bundesrat in den nächsten drei Jahren das Freizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union (EU) neu verhandeln. Statt freiem Personenverkehr sollen dann wieder feste Quoten für den Zuzug von Ausländern gelten. Da gebe es schon Vorschläge, die große Kontingente vorsehen, aber an die Asylpolitik geknüpft seien, erklärt Spengler. Soll heißen: Sind bereits viele Menschen eingewandert, werden weniger Asylsuchende zugelassen. "Hier stehen wirtschaftliche Interessen vor der Asyltradition der Schweiz", so der Pressesprecher.
Da die Kirche keinen direkten Einfluss auf die Beschlüsse des Schweizer Bundesrates habe, könne es nur darum gehen, "zu entlarven, dass hinter der geschürten Angst eigentlich nur politische Interessen stehen", sagte Spengler. Dazu wolle die Kirche aufzeigen, dass das Fremde eine Bereicherung sei. "Wir leben das jeden Tag in den Pfarreien", so der Sprecher, der sich auch vorstellen kann, dass bei der Umsetzung des Votums Probleme auftreten könnten, die zu einer zweiten Volksabstimmung führen.
Bereits im Vorfeld hatten sich die Schweizer Bischöfe in der Frage der Einwanderung klar positioniert. Die Kommission "Justitia et Pax", das für Sozialethik zuständige Fachgremium der Bischofskonferenz, wertete die "Masseneinwanderungsinitiative" als Widerspruch zu einer christlichen Werteorientierung. Der Vorstoß betrachte Menschen als Ware und tue so, als ob die Schweiz eine Insel sei, so die Kritik.
Menschenbild ist "fragwürdig und diskriminierend"
"Fragwürdig und diskriminierend" sei das Menschenbild, das hinter den Anliegen und Zielen der Initiative stecke, stellte die Kommission fest. Ähnlich fragwürdig seien jedoch auch viele Gegenargumente. Menschen würden nämlich "allein bezogen auf ihren wirtschaftlichen Nutzen" für die Schweiz betrachtet und auf diese Weise zur Ware gemacht.
Ein "bedenkliches Signal" sieht der Interkulturelle Rat in Deutschland im Schweizer Votum. Die Entscheidung weise in die Vergangenheit und stehe im Widerspruch zu allem, was in der EU erreicht worden sei, bemängelte der Rat am Montag in Darmstadt. Ein "fatales Signal für den Flüchtlingsschutz in Europa" sieht Pro Asyl. Die Volksabstimmung zeige, dass rassistische Grundhaltungen aus der Mitte der Gesellschaft aktivierbar sein könnten - mit dramatischen Folgen für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Der deutsche Europaabgeordnete Andreas Schwab (CDU) forderte bereits ein Ende der vertraglichen Beziehungen zur Schweiz. Die EU müsse ihre mit dem Land geschlossenen Abkommen auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls kündigen, sagte Schwab am Montag in Freiburg. "Notwendig ist jetzt eine entschiedene Reaktion der EU." Setze die Schweiz die Vorgaben der Volksabstimmung um, werde sie gegenüber der EU vertragsbrüchig.
Bekommen Schweizer Unternehmen zukünftig keine guten Mitarbeiter aus dem Ausland?
Die Schweizer Unternehmen fürchten nach der Volksabstimmung unterdessen, keine guten Mitarbeiter aus dem Ausland mehr zu bekommen. Angesichts der Aussicht, möglicherweise ohne Familie ins Land ziehen zu müssen, werde die Qualität der Bewerber abnehmen, sagte der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Valentin Vogt, der "Neuen Zürcher Zeitung" (Montag). Gut ausgebildete Kandidaten, "die unter mehreren Angeboten auswählen können, werden das nicht mit sich machen lassen". Die jetzt eintretende Unsicherheit sei sehr schädlich, so Vogt. "Unsicherheit ist die schlechteste Nachricht für die Wirtschaft."
Die Schweizer hatten sich am Sonntag in einer Volksabstimmung überraschend dafür ausgesprochen, die Zuwanderung aus der EU zu begrenzen. Mit 50,3 Prozent fiel die Zustimmung für die Initiative der national-konservativen Schweizer Volkspartei (SVP) "Gegen Masseneinwanderung" denkbar knapp aus. Die Initiative sieht eine Quotierung der Einwanderung von Ausländern mit einer branchenübergreifenden Höchstquote vor. Zudem sollen bei Stellenbesetzungen künftig Schweizer bevorzugt behandelt werden. "Masseneinwanderer" sind ebenso deutsche Ärzte und Banker aus dem Norden wie italienische Handwerker aus dem Süden. (mit Material von KNA und dpa)
Von Björn Odendahl