In aller Munde und doch unbekannt
Zahlreiche seiner Lieder sind von Komponisten aller Epochen vertont worden, auch im Gotteslob hat er seine Spuren hinterlassen: Caspar Ulenberg. Vor 400 Jahren ist der Dichter und Theologe, der vom protestantischen zum katholischen Glauben übertrat, gestorben. Geboren wird Ulenberg am Heiligabend 1548 oder 1549 im westfälischen Lippstadt. Das Elternhaus ist streng protestantisch. Und so verwundert es zunächst nicht, wenn eine Laufbahn als Pfarrer vorgezeichnet scheint. Ab 1569 studiert Ulenberg an der Universität Wittenberg Philosophie und Theologie, um nach dem Abschluss seines Studiums von1570–1571 kurz als Lehrer in Lunden (heutiger Kreis Dithmarschen) zu wirken.
Dass er zum katholischen Glauben übertritt, ist die Folge eines schicksalhaften Zufalls. Die Familie bestimmt ihn dazu, einen Cousin im rheinischen Köln, der vom protestantischen zum katholischen Glauben übergetreten war, zur Rückkehr in den Schoß der protestantischen Kirche zu bewegen. Das gelingt ihm auch: Andreas Roder, besagter Cousin, nimmt seinen ursprünglichen Glauben wieder an.
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Doch - und das ist die Ironie an der Geschichte - nun ist es Ulenberg, der sich mit dem katholischen Glauben anfreundet. 1572 schließlich tritt er zum katholischen Glauben über, schreibt sich in Köln an der Universität ein und setzt seine Studien fort. Im März 1574 schließt er diese mit dem akademischen Grad eines Magisters ab. Ulenberg wird zunächst Professor am Gymnasium Laurentianum in Köln, empfängt 1576 die Priesterweihe und wird Pfarrer in Kaiserswerth. Ab 1583 wirkt er jedoch wieder in Köln: erst als Pfarrer der Kirche St. Kunibert, von 1592 an als Regens des Gymnasium Laurentianum, dessen Leiter er 22 Jahre lang bleibt, sowie ab 1605 als Pfarrer von St. Columba. Von 1610 bis 1612 amtiert er auch als Rektor Magnificus der Universität. Am 16. Februar 1617 stirbt Ulenberg in Köln.
Viele seiner Lieder sind noch immer im Gotteslob zu finden
Bekannt ist er heute immer noch aufgrund seiner zahlreichen Kirchenlieder, zu denen er auch deutsche Texte verfasst hat. Viele dieser Lieder haben Einzug in das Gotteslob gefunden - "Nun lobet Gott im hohen Thron", "Heilig ist Gott in Herrlichkeit" oder "Mein Hirt ist Gott der Herr" etwa, um nur die bekanntesten zu nennen.
Das literarische Wirken Ulenbergs begann während der Zeit in Kaiserswerth. Dort begann er damit, Psalmen zu übersetzen. Die 1582 erschienenen "Psalmen Davids in allerlei deutsche Gesangreime gebracht" war sogar so erfolgreich, dass sie 1603 in einer von Ulenberg selbst bearbeiteten Neuauflage nachgedruckt worden sind. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein wurde dieses Buch, das als bedeutendster katholischer Beitrag zum Psalmlied im 16. Jahrhunderts angesehen wird, immer wieder überarbeitet, neu aufgelegt und schon seinerzeit von Komponisten wie Orlando di Lasso, Konrad Hagius oder Abraham Praetorius vertont.
Die Absicht Ulenbergs war klar: eine volksnahe Katechese. Um dies zu gewährleisten, enthielt die Erstausgabe sogar einen "Katechismus oder kurzen Bericht der ganzen christlichen Religion samt Warnung wider allen Irrtum". Ulenberg dichtete und publizierte seine Werke, obwohl in der Liturgie striktes Lateingebot herrschte. Gleichwohl gab es nicht nur auf protestantischer Seite Bestrebungen, die Muttersprache im Gottesdienst zu stärken, wovon auch andere Gesangbücher aus dieser Zeit zeugen. Seine eigentliche Intention hat Ulenberg so gesehen erst mit der Einführung der Muttersprache durch das 2. Vatikanische Konzil erreicht.
Hauptwerk Ulenbergs ist die Schrift "Erhebliche und wichtige Ursachen, warum die altgläubigen katholischen Christen bei dem alten wahren Christentum bis in ihren Tod beständiglich verharren", das auch in einer lateinischen Fassung überliefert ist. Bekannt ist der Autor, der 1590 auch ein "Trostbuch für die Kranken und Sterbenden" veröffentlichte, ferner für seine auf Veranlassung des Erzbischofs Ferdinand von Köln entstandene Bibelübersetzung. 1614 begonnen, wurde sie nach Ulenbergs Tod von Adolph Gottfried Volusius vollendet und erlebte aufgrund des Dreißigjährigen Krieges erst ab 1630 zahlreiche Auflagen.
Dossier: Neue Töne
Rund zwölf Jahre haben die deutschen Bischöfe am neuen Gotteslob gearbeitet. Darin finden sich nicht nur bekannte Lieder wie "Großer Gott, wir loben Dich", sondern auch Gebete und Informationen zum katholischen Glauben. Katholisch.de stellt das Gotteslob vor.Drei Fragen an Wolfgang Bretschneider
Frage: Herr Bretschneider, die Lieder von Caspar Ulenberg sind über 400 Jahre alt und immer noch im Gotteslob zu finden. Aber werden sie noch gesungen?
Wolfgang Bretschneider: Natürlich! Ich nenne mal zwei: "Nun lobet Gott im hohen Thron" oder "Mein Hirt ist Gott der Herr". Das sind Schlager, die alle kennen. Das zeigt die Qualität sowohl des Textes als auch der Melodie: Beides ist expressiv, man wird mitgerissen – vorausgesetzt, sie werden nicht wie Schlaflieder gespielt [lacht].
Frage: Heutige Lieder sind ganz anders als die von Caspar Ulenberg gestaltet, zum Beispiel haben sie oft eine einfachere Akkordfolge. Ist die Komplexität ein Grund für die Langlebigkeit von Ulenbergs Kompositionen?
Bretschneider: Genau das hat auch damals die Leute mitgerissen. Aus Berichten dieser Zeit ist ersichtlich, dass die Zeitgenossen Ulenbergs begeistert waren. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass die Melodie auf den Text eingeht, dass man also nicht gegen den Text ansingen muss. Die Lieder sind der Inbegriff von katholischer Dichtung. Und wenn man nur die fünf seiner Lieder im Gotteslob singt und auswendig lernt, dann ist das wie ein großes Glaubensbekenntnis. Diese Lieder sind strapazierfähig und verschleißen nicht wie so manch andere, die man schnell nicht mehr hören kann.
Frage: Wie konnten Ulenbergs Lieder diese Begeisterung auslösen?
Bretschneider: In seinem Buch "Die Psalmen Davids in allerlei deutsche Gesangreime gebracht" von 1582 hat er alle Psalmen mit über 80 Melodien vertont. Diese Melodien stammten aus dem Genfer Psalter, der das Gesangbuch der französischen Protestanten war. Dass er sie übernommen und mit den Psalmen in der katholischen Auslegung versehen hat, war kein Zufall: Er dachte sich, dass die Melodie so stark ist, dass sie sogar die Konfessionen überlebt. Er war also schon sehr ökumenisch.