Nachgeben, bis man der Dumme ist?
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Impuls von Schwester Birgit Stollhoff
"Danke liebe Eltern für 'der Klügere gibt nach'. Und was machen wir jetzt mit all den Dummen an der Macht?" Dieser Tweet kursiert derzeit im Netz. Der Tweet unterstellt, dass derjenige, der sich fair verhält, Meinungsfreiheit gewährleistet und tolerant ist, in jeden (Macht-)Kampf verlieren muss. Ist damit der nachgebende Klügere nicht der wirklich Dumme?
Jesus ist da ganz klar: Selbst wenn dir nach dem Recht Genugtuung zusteht – verzichte darauf. Wehre dich nicht, sondern gib nach, gib sogar mehr. Ich habe dazu einmal meinen geistlichen Begleiter gefragt: "Was nützt es denn nachzugeben, außer dass es fromm ist?" Zuerst hat er gelacht, weil die Frage von einer Ordensschwester wohl überraschend kam. Dann hat er mich verstanden: "Kann es nicht nur gut sein, nachzugeben, sondern auch klug?" Seine Antworten haben mich überzeugt:
Wer nachgibt, macht das auch, weil er selbstsicher genug ist, nachzugeben. Nur wer in dem Moment der Empörung souverän und beherrscht ist, schafft es überhaupt, nicht zurückzuschlagen. Und schon da, ich gebe es zu, scheitere ich meistens. Wenn ich im Streit sofort reagiere, ist das weder ein Mangel an Glauben oder Klugheit, sondern schlichtweg mein Temperament.
Ein weiterer Aspekt, der mich überzeugt hat: Wer nachgibt, spart seine Kräfte für den größeren Plan. Er belastet sich nicht mit dem Dreck, den der Andere an ihn wirft. Er belässt die Wut und Aggression beim Anderen und geht weiter, lässt den Schmutz abperlen. So kann der Nachgebende die eigenen Ziele weiterverfolgen, ohne Kraft auf den wütenden Angreifer zu verlieren.
Ähnliches rät auch der Spiegel-Social-Media Experte Sascha Lobo in seiner Kolumne zum Umgang mit Trumps Politik: Er empfiehlt, wach zu bleiben, Fakten selber zu recherchieren, aber auch Erschöpfung zu vermeiden, die Debatten zu verlängern und erst dann zu handeln, sich also zielgerichtet zu empören.
Das ist auch in Jesu Sinne, aber ihm geht es um mehr: um den größeren Horizont, den längeren Atem. Ihr sollt mehr lieben. Euer Maßstab ist Gottes Liebe. Und Jesus hat bewiesen, was ein langer Atem ist: Über die Gefangenschaft, die Ohnmacht am Kreuz und des Todes hinaus hat er zwei übermenschliche Tage durchgehalten bis zur Auferstehung. Auch das vergesse ich manchmal: Leben heißt, Ohnmacht auszuhalten, da kann ich noch so sehr toben. Spätestens bei Krankheiten und beim Tod lerne ich nachgeben. Und gerade in diesen vermeintlich hilflosen Situationen – eingeschränkt mit Gipsbein, sprachlos im fremden Land, überfordert mit der Planung von drei Jobs, machtlos gegen Gerede – habe ich eines gelernt: Dass ich geliebt werde, ohne etwas beweisen zu müssen, und dass ich selber lieben darf, selbst wenn ich für die Anderen nichts leisten kann.
Jesus braucht keine Boxkämpfer, die beim Gegner den K.O.-Sieg schaffen. Jesus braucht Langstreckenläufer, deren Liebe bis in die Ewigkeit reicht.
Evangelium nach Matthäus (Mt 5, 38-48)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.