Typisch katholisch, typisch evangelisch
Woran erkennt man eigentlich Katholiken? Und woran Protestanten? Die großen theologischen Fragen, die die beiden Kirchen noch trennen, sind bekannt: Papst, Sakramenten- und Kirchenverständnis. Aber wenn man nicht gerade über das Eucharistieverständnis und Maria diskutiert, ist es gar nicht so einfach, die Konfessionen zu unterscheiden. Im Alltag gibt es aber doch einige Unterschiede, die sich trotz aller Ökumene erhalten haben.
Katholische Hähne, lutherische Schwäne
Kirchen kann man anhand ihrer Türme unterscheiden - katholische Kirchen haben einen Hahn, evangelische ein Kreuz. Oder ist es andersherum? Kommt darauf an. In Norddeutschland ist der Kirchturmshahn eher evangelisch, in der Mitte und im Süden eher katholisch. Der erste belegte Kirchen-Hahn stammt ohnehin aus der Zeit der ungeteilten Christenheit: 820 soll der Bischof von Brescia ihn auf seinem Turm angebracht haben. Der Hahn steht für den Morgen und damit die Überwindung des Todesschlafs, und wegen seiner Rolle in der Passion - der Hahn krähte, als Petrus Jesus verleugnete - steht er auch für Jesus.
Meist auf evangelischen Kirchen befindet sich auch ein Engel mit Posaunen oder in Hafenstädten auch Schiffe. Aber Achtung: Der Posaunenengel könnte auch auf Mormonen hinweisen! Ganz auf der sicheren Seite ist man nur mit Schwänen: Die weisen mit dem Symboltier Luthers auf eine lutherische Kirche hin.
Katholische und evangelische Seelen
Bei Umfragen zu den Lieblingsdialekten der Deutschen schneidet Schwäbisch nicht immer sonderlich gut ab. Dabei ist die oberdeutsche Mundart konfessionskundlich sehr ergiebig: Aufmerksame Hörer können an der Aussprache die Konfession erkennen. In katholischen Gebieten wird das "e" in vielen Wörtern geschlossen ausgesprochen: "Lehrer", "Ehre", "sehr" und "Seele". Auf evangelisch sagt man mit offenem Vokal "Lährer", "Ähre", "sähr" und "Sääle". Und die Katholiken beten das "Vaddrunser" mit kurzem "a", die Protestanten "Vaadrunser".
Wahrscheinlich liegen die Unterschiede an einem anderen, ähnlich "beliebten" Dialekt: Dem sächsischen - wurden doch die ersten evangelischen Prediger im sächsischen Wittenberg ausgebildet.
Was aber tun, wenn das Gegenüber kein Schwabe ist? Statistik hilft hier: Eine Erhebung des Instituts für Demoskopie im (badischen) Allensbach hat ergeben, dass über 60 Prozent der Katholiken, aber nur 44 Prozent der Protestanten den Dialekt ihrer Heimat sprechen können.
Heilige Namen und pietistische
Kennen Sie Gotthilf Traugott Zachariae und Franz Xaver von Linsenmann? Wahrscheinlich nicht - wenn Sie nicht gerade besonders gut in der Theologie des 18. und 19. Jahrhunderts bewandert sind. Aber welcher der beiden katholisch, welcher evangelisch ist, ist offensichtlich: Ein Protestant hieße nicht nach dem Jesuitenheiligen Franz Xaver, und ein Katholik hätte kaum einen so kräftigen pietistischen Namen wie Gotthilf und Traugott getragen.
Evangelische Namen wie Gottlieb und Gotthilf sind heute unauffällig - aber Fürchtegott, Leberecht, Frommhold und Lasterfeind, da klingt immer noch die pietistische Gründlichkeit an, mit der Heiligennamen durch weniger katholische abgelöst werden sollten.
Noch stärker haben die Puritaner im 17. Jahrhundert auf fromme Namen in der Volkssprache gesetzt: Verity, Purity und Amity (Wahrheit, Reinheit, Freundschaft) könnte man heute noch sein Kind nennen. Aber belegt sind auch exzentrischere Namen wie Fear-God ("Fürchtegott"), Fly-fornication ("Hinweg, Unzucht!") oder gar If-Christ-had-not-died-for-thee-thou-hadst-been-damned ("Wenn Christus nicht für dich gestorben wäre, wärst du verdammt") - so hieß der Sohn von Praise-God Barbon, der im 17. Jahrhundert ein bedeutender britischer Ökonom war. Als Rufname wählte er aber seinen ersten Vornamen: Nicholas. Ein Name, der auch guten Katholiken stehen würde.
Heil'ge Kunst auf Stirn und Brust/Ein katholisch Kreuz zu schlagen
Da können Protestanten und Katholiken beim ökumenischen Gottesdienst noch so durcheinander sitzen - spätestens beim Gebet kommt's zum Schwur: "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes" - Katholiken bekreuzigen sich, Protestanten nicht. Dabei ist das Bekreuzigen gar nichts Unevangelisches: In seinem kleinen Katechismus empfahl Luther es noch morgens und abends. Außer Abgrenzung gegenüber katholischen Ritualen scheint es auch keinen stichhaltigen Grund zu geben, aus der sich die evangelische Tradition entwickelt hat.
Am bösen Willen liegt es nicht, wenn Protestanten sich nicht bekreuzigen: Was für Katholiken zur religiösen Früherziehung gehört, lernen evangelische Kinder erst gar nicht. Katholiken dagegen haben ihre Gebete mit dem ganzen Körper verinnerlicht. Spötter behaupten, im Kino Seminaristen an der Kniebeuge erkennen zu können, die sie vor dem Einnehmen ihrer Sitze machen.
Protestanten singen, Katholiken nicht
Es fängt schon bei den Wörtern an: "Gesangbuch" ist ein evangelisches Wort, "Gebetbuch" ein katholisches - wobei sich auch hier die Konfessionen angleichen. Das katholische "Gotteslob" heißt im Untertitel "Gebet- und Gesangbuch". In Deutschland ist der Unterschied nicht so groß, was die Sangesfreude angeht - aber in englischsprachigen Ländern ist es schon fast sprichwörtlich: "Catholics can't sing". Während Protestanten laut und begeistert singen, ist das bei den Katholiken eher verhalten. Der Grund ist ein historischer: Kirchenlieder sind eine protestantische Erfindung. In die katholische Messe gehörte der gregorianische Choral, Gemeindebeteiligung war in der Regel nicht vorgesehen. Martin Luther dagegen war ein großer Verfechter (und Dichter) des volkssprachlichen geistlichen Liedes.
In den englischsprachigen Ländern kommt noch ein weiterer Grund dazu: Die katholischen Iren gelten als besonders singfaul - obwohl irische Volkslieder gern gemeinsam und laut gesungen werden: In der Zeit der Verfolgung durch die Engländer war es üblich, heimlich Stille Messen zu feiern. Nicht zu singen war überlebenswichtig.