Spanien: Juden wollen Synagoge von Katholiken zurück

Ein über 700 Jahre altes Gebäude im spanischen Toledo sorgt für Differenzen zwischen der katholischen Kirche und dem Verband der jüdischen Gemeinden in Spanien: Der Verband will klären, wem die Kirche Santa María la Blanca in Toledo gehört, die im 12. Jahrhundert als Synagoge Ibn Shushan erbaut und etwa 300 Jahre später zu einer Kirche umgewandelt worden war. Der Präsident des Judenverbandes, Isaac Querub, habe vor kurzem den Erzbischof von Toledo, Braulio Rodríguez Plaza, um ein Gespräch gebeten, berichtet die Zeitung "El País". Doch der sieht keinen Gesprächsbedarf: "Der Herr Erzbischof ist der Auffassung, dass er zur Zeit keine Aussage über diese Sache machen sollte", zitiert "El País" aus einer offiziellen Stellungnahme des Bistums. "Im 21. Jahrhundert in einem Land wie Spanien wäre die symbolische Rückgabe eines geplünderten Gutes an die jüdische Gemeinschaft ein gutes Zeichen", sagte hingegen Querub der Zeitung.
Für das Erzbistum in Toldeo ist die Lage klar: Das Gebäude, das inzwischen als Museum dient, wurde 1411, nach Massakern an den Juden 1391, in eine Kirche umgewandelt und der Heiligen Maria geweiht. Es sei daher nicht, wie oft behauptet, der Heilige Vinzenz Ferrer gewesen, der den Juden die Synagoge aberkannte, so das Bistum in einer Stellungnahme. Nach einer Nutzung als Beginenhof und Heim für ehemalige Prostituierte bis ins 17. Jahrhundert und anschließend als Eremitage wurde die Kirche 1791 zur Kaserne umfunktioniert. Verschiedene Besitzer nutzten sie anschließend als Lager. 1929 sei sie dann von König Alfonso XIII. dem Erzbischof von Toledo als Eigentum zurückgegeben worden. Durch diese Dokumente sei die kirchliche Eigentümerschaft an der Synagoge zweifelsfrei belegt: Seitdem habe das Erzbistum sie verwaltet und unterhalten. "Dazu sollte erwähnt werden, dass der Besitz und die Benutzung des Gebäudes durch die Kirche friedvoll und weithin akzeptiert worden ist", heißt es in der Mitteilung.
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1992 habe dann der Heilige Stuhl den damaligen Bischof von Toledo, Kardinal Marcelo González Martín, gebeten, ihm die ehemalige Synagoge für Verhandlungen mit dem israelischen Staat zur Verfügung zu stellen. Diese Gespräche seien dann aber nicht fruchtbar gewesen. Papst Johannes Paul II. habe dann 2000 Kardinal Francisco Álvarez Martínez gebeten, das Gebäude wieder zur Disposition zu stellen – auch dieses Mal, um mit Israel zu verhandeln. Es sei eine Rückgabe des historischen Abendmahlssaales in Jerusalem im Tausch gegen die Synagoge Santa María la Blanca angestrebt worden. Diese Gespräche sind ebenfalls nicht erfolgreich verlaufen. Aufgrund dieser Vorgeschichte habe der Erzbischof von Toledo zu den Besitzverhältnissen der Synagoge nichts mehr zu sagen, wie das spanische Erzbistum mitteilte. Überdies hätten sich Querub und Erzbischof Rodríguez Plaza zwar zweimal persönlich getroffen, jedoch habe der Erzbischof keine schriftliche Anfrage für ein neuerliches Treffen von ihm erhalten und könne daher auch nicht darauf antworten.
Eine "rätselhafte" Eigentumsübertragung
Der Verband der jüdischen Gemeinde sieht das alles anders. Schon im Juli 2012 hatte sie Javier García Fernández, Professor für Jura an der Madrider Complutense-Universität, gebeten, die Eigentumsverhältnisse der Kirche zu klären. Der fand heraus, dass im Grundbuchamt die katholische Pfarrei Santo Tomé in Toledo eingetragen ist. Zwei Tage nach seiner Anfrage habe jedoch die Gemeinde das Gebäude dem Erzbischof von Toledo übertragen, berichtet "El País". Doch der Pfarrer der Gemeinde, Gerardo Ortega, kann sich an eine solche Übertragung nicht erinnern. "Santo Tomé hat die Synagoge nie besessen", zitiert ihn die Zeitung. Im Übrigen sei das, was der Gemeinde gehöre, immer auch Eigentum der Diözese. Die erklärt das so: Man habe bei der Vorbereitung zu einer Inventur 2011 festgestellt, dass die Kirche der abgeschafften Gemeinde San Martín überschrieben war, die in dem Gebiet der Gemeinde Santo Tomé lag. Weil das Gebäude aber immer schon vom Erzbischof von Toledo verwaltet worden sei, habe man es 2012 ihm auch öffentlich überschrieben.
Ein weiterer Grund für das Interesse an Santa María la Blanca dürfte sicherlich auch die Bedeutung der ehemaligen Kirche für den Tourismus sein: Laut "El País" ist sie die am dritthäufigsten besichtigte Sehenswürdigkeit von Toledo. So hätten sich 2016 fast 406.000 Besucher das historische Gebäude angesehen und dafür Eintritt von insgesamt rund 750.000 Euro bezahlt. Laut der Mitteilung des Erzbistums seien 35 Prozent davon an einen Fonds zur Unterstützung anderer kirchlicher Einrichtungen gegangen, weitere Teile wurden für die Klöster sowie für die laufenden Kosten von Santa María aufgewendet. Außerdem habe das Erzbistum seit 2003 rund 770.000 Euro in die Konservierung des Denkmals gesteckt. (jhe/rom)