Ärzte halten Klinikseelsorge für unverzichtbar
Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery hat die Bedeutung der Seelsorge im Gesundheitswesen unterstrichen. "Sie fangen einiges auf von dem, was wir Ärzte verlieren", sagte Montgomery am Mittwochabend vor rund 400 katholischen und evangelischen Klinikseelsorgern in München. Das Arztbild habe sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch gewandelt. Ärzte könnten nicht Medizin auf "Raumfahrtstandard" anbieten und dann noch abends mit liebender Zuwendung am Patientenbett sitzen.
Der BÄK-Präsident äußerte sich zum Auftakt des ersten ökumenischen Bundeskongresses der Krankenhausseelsorger im Münchner Klinikum Rechts der Isar. An der Veranstaltung nahmen auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, teil.
Auch Ärzte brauchen seelsorgliche Zuwendung
Montgomery betonte, bei der Klinikseelsorge gelte es auch den Blick über die Sterbenden hinaus zu lenken. "Wir brauchen Sie nicht nur in der palliativen Situation, sondern auch bei vielen anderen lebenswandelnden Entscheidungen", etwa in der Reproduktionsmedizin. Außerdem seien auch Ärzte dankbar, "wenn mal ein seelsorgliches Wort an uns gerichtet wird".
Anette Widmann-Mauz (CDU), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, sagte, die Klinikseelsorger dürften aber "nicht der Ausputzer für alles andere sein". Alle Berufe im Gesundheitswesen müssten auch die Seele der Patienten im Blick haben. "Achtsamkeit ist einem Arzt nicht verboten, dazu muss er kein Seelsorger sein."
Seelsorge soll nicht als Kassenleistung gelten
Widmann-Mauz und Montgomery warnten davor, Klinikseelsorge künftig als Kassenleistung zu finanzieren. Seelsorge im Krankenhaus dürfe nicht Checklisten und Standardisierung unterworfen werden. Der Ärztekammerpräsident riet "dringend davon ab, Seelsorge zu einem Wettbewerbselement der Krankenhäuser zu machen". Stattdessen sollten die Kirchen mit den Ländern Staatsverträge schließen.
Marx und Bedford-Strohm sagten, sie könnten sich auch mischfinanzierte Modelle vorstellen. Dabei müssten die Seelsorger jedoch unabhängig von der Weisung der Klinikdirektionen bleiben. Marx betonte, die Seelsorge an den Kranken sei seit den Anfängen des Christentums ein "Kernauftrag" der Kirche. Dabei gehe es um die absichtslose Zuwendung zu Menschen in Not. Sich im Krankenhaus nur um die Angehörigen der eigenen Konfession zu kümmern, entspreche nicht seinem Verständnis von Seelsorge.
Der Münchner Soziologe Armin Nassehi empfahl den Kirchen, offensiv für Krankenhausseelsorge zu werben. In mehreren Studien habe er, Nassehi, festgestellt, dass Seelsorger in Kliniken einen besonderen Kommunikationsstil pflegten. Sie seien die einzigen gewesen, die es ausgehalten hätten, abzuwarten. "Wenn nichts mehr hilft, hilft einer, der ohne Eindeutigkeit im Ziel kommuniziert", sagte der Sozialforscher. (KNA)