Schwierige Existenz
Das Attentat des 5. November, die sogenannte Pulverfass-Verschwörung gegen die Unterdrückung der Katholiken, misslang - und hatte doch schwerwiegende Folgen: Englands größte Minderheit stand fortan unter dem Verdacht des Landesverrats. Erst in den vergangenen Jahrzehnten ist es ihr gelungen, sich einen Platz in der britischen Gesellschaft zurückzuerobern.
Papisten sind von der Thronfolge ausgeschlossen
Reich und mächtig war die Kirche im englischen Mittelalter, wie man bis heute an ihren monumentalen Kathedralbauten sehen kann. Doch mächtiger noch war König Heinrich VIII. Er brach 1533 mit dem Papst in Rom, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. Kirche - das hieß in England fortan anglikanisch. Bis heute schließt ein Gesetz aus dem Jahr 1701, der sogenannte Act of Settlement, jeden von der Thronfolge aus, der "die päpstliche Religion bekennt oder einen Papisten heiratet".
Katholiken führten fortan ein Schattendasein. Zumeist waren es irische Einwanderer, als arme Hungerleider eingetroffen in mehreren Wellen. Katholiken, das waren Ausländer, Unterprivilegierte aus der Arbeiterklasse. Intellektuell spielte der britische Katholizismus - bis auf einige wenige Beispiele wie die anglikanischen Konvertiten Kardinal John Henry Newman (1801-1890) oder Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) - bis in die 1950er Jahre praktisch keine Rolle. Es war vor allem das große karitative und schulische Engagement und eine moralische Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche, die in den vergangenen Jahrzehnten eine gewisse Verbürgerlichung ermöglichte. Irgendwann gab es katholische Ärzte, Rechtsanwälte, Parlamentsabgeordnete. Das Bild des Katholizismus begann sich zu ändern hin zu einer lebendigen, akzeptierten und integrierten Konfession.
Tony Blair konvertierte 2007
Auch die klischeebeladenen Warnungen vor papistischer Unterwanderung sind Vergangenheit. Indizien für eine wachsende Hoffähigkeit des Katholizismus gab es in den vergangenen Jahren viele. Da war 2002 die Einladung an den Kardinal von Westminister, vor Königin Elizabeth II. zu predigen. Da war der Übertritt von Ex-Premier Tony Blair in die katholische Kirche 2007. Auch die deutlichen Warnungen der katholischen Kirche vor einem ungerechtfertigten Krieg im Irak und andere öffentliche Stellungnahmen sorgten für mehr moralisches Gewicht.
Und dann Prinz Charles: Der geschiedene, dann verwitwete, inzwischen wiederverheiratete Thronfolger, womöglich künftiges Oberhaupt der Staatskirche von England, verschob im Frühjahr 2005 sogar seine Hochzeit - aus Rücksicht ausgerechnet auf die Beisetzung von Papst Johannes Paul II., vor dessen Sarg sich in Rom auch die britischen Spitzen von Kirche und Staat versammelten.
An Selbstbewusstsein verloren
Experten bescheinigen Englands Katholiken großen Einsatz im praktischen sozialen Leben, aber einen eher defensiven, wenig missionarischen Geist - typisch für eine lange diskriminierte Minderheitenkirche. Gleichwohl, so der Jesuit Oliver Rafferty, habe es in den 1950er Jahren noch rund 10.000 Konvertiten pro Jahr gegeben. Zuletzt sei die Zahl vernachlässigbar - wohl auch eine Folge der allgemeinen Säkularisierung. Rafferty: "Bei allem, was der Katholizismus in den letzten 50 Jahren gewonnen hat, hat er doch viel von seinem Selbstvertrauen verloren. Er wird zwar gesellschaftlich voll akzeptiert, hat aber manche Züge aufgegeben, die einst seine besondere Präsenz ausmachten."
Von Alexander Brüggemann (KNA)