Unterschied zwischen Flüchtlingen und Geschützten nicht nachvollziehbar

Kirchen und Verbände fordern Familiennachzug

Veröffentlicht am 20.03.2017 um 16:30 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Berlin  ‐ Wer alleine nach Deutschland flüchtet, möchte häufig seine Familie nachholen. Die Kirche hält das für berechtigt - und kritisiert, dass die Bundesregierung nicht alle Asylsuchenden gleich behandelt.

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Die beiden großen Kirchen in Deutschland und zahlreiche Hilfswerke fordern eine sofortige Wiederaufnahme des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit sogenanntem subsidiären Schutzstatus. Es sei eine Frage der Humanität und nicht der großen und kleinen Zahlen, betonte der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Karl Jüsten, am Montag bei einer Anhörung des Bundestagsinnenausschuss. Vorlage waren ein Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion sowie einem Antrag der Links-Fraktion. Beide Parteien fordern eine Wiederaufnahme des Familiennachzugs.

Die Aussetzung habe erhebliche negative Auswirkungen, vor allem für die Betroffenen und deren Integration, aber langfristig auch für die Gesellschaft, mahnte Jüsten. "Ich halte es für gefährlich, diese Personen an einer nachhaltigen Integration zu hindern."

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Frühjahr als Teil des Asylpakets II die Möglichkeit des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre ausgesetzt. Seither ist die Zahl der syrischen Geflüchteten, die keinen Flüchtlingsstatus, sondern "subsidiären Schutz" erhalten, stark gestiegen.

Bild: ©KNA

Karl Jüsten ist Vorsitzender der Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe und Leiter des Katholischen Büros in Berlin.

Jüsten berichtete von unzähligen Fällen von Flüchtlingen, die erfolglos versuchten ihre Familien nachzuholen. "Unsere Berater stehen vor der schwierigen Aufgabe, die unterschiedliche Behandlung von Flüchtlingen und subsidiär Geschützten immer wieder erklären zu müssen." Dieser Unterschied sei für die Betroffenen nicht nachvollziehbar.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte erklärte ebenfalls, dass die Aussetzung des Familiennachzugs umgehend aufgehoben werden sollte. Das Szenario, dass mit dem Familiennachzug eine unbeherrschbare Zahl an Flüchtlingen nachkomme, entbehre jeder Grundlage, sagte Hendrik Cremer vom Institut. Der Familiennachzug sei geregelt, jeder Einreise gehe eine Visumsantrag voraus.

Das Kinderhilfswerk World Vision sowie die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes verwiesen insbesondere auf die Lage von Frauen und Kindern. "Familien und familiäre Bindungen im Alltag sind zentral für Wohlbefinden, psychische Gesundheit und Integration", bekräftigte die Leiterin der Abteilung Politik bei World Vision Deutschland, Gudrun Schattschneider.

Linktipp: Auf der Flucht

Die Flüchtlingskrise fordert Staat, Gesellschaft und Kirchen mit ganzer Kraft heraus. Auch die katholische Kirche in Deutschland engagiert sich umfangreich in der Flüchtlingsarbeit. Weitere Informationen dazu auf der Themenseite "Auf der Flucht".

Der Konstanzer Verfassungsrechtler Kay Hailbronner verteidigte die Aussetzung des Famileinnachzugs. "Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug weder im Völkerrecht noch in der UN-Menschenrechtscharta." Es sei völlig klar, dass es sich um Abwägungsentscheidungen handele, sagte Hailbronner. Zur Zeit spreche jedoch nichts dafür, dass der Migrationsdruck nachlasse, im Gegenteil. Er sei anhaltend groß und werde auch vermutlich "anhaltend große Probleme" bereiten.

Der Städte- und Gemeindebund bekräftigte die Bedeutung des Familiennachzugs für die Integration. Dennoch sei die Entlastung der Kommunen durch die Einschränkung des Familiennachzugs zu wichtig, als dass es bereits denkbar sei, diese wieder aufzuheben. Nach März 2018 müsse sicher eine Lösung gefunden werden. (KNA)