Straßburg billigt Sonderform der Kirchensteuer
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Klagen von fünf protestantischen Christen gegen eine Sonderform der deutschen Kirchensteuer für unzulässig erklärt beziehungsweise abgewiesen. In ihrer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung sehen die Straßburger Richter bei der Berechnung und dem Einzug des sogenannten besonderen Kirchgelds in glaubensverschiedenen Ehen keinen Verstoß gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte positive und negative Religionsfreiheit.
Kirchgeld betrifft religionsverschiedene Ehepaare
Das "besondere Kirchgeld" wird von evangelischen Landeskirchen und rund der Hälfte der katholischen Diözesen als Sonderform der Kirchensteuer erhoben. Es betrifft Ehepaare, bei denen nur ein Partner einer Kirche angehört. Wenn dieses Kirchenmitglied dann kein oder nur ein sehr geringes eigenes Einkommen hat, muss er oder sie keine reguläre Kirchensteuer zahlen.
Die Kirchen gehen aber davon aus, dass sich die Betreffenden dennoch an der Finanzierung kirchlicher Aufgaben beteiligen können, weil sie in der Ehe als wirtschaftlicher Gemeinschaft auch vom Einkommen des Partners profitieren. Das Kirchgeld liegt dabei niedriger als der reguläre Kirchensteuersatz. Kirchgeld macht nur einen sehr kleinen Anteil der Gesamtsumme der Kirchensteuereinnahmen in Deutschland aus.
Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßten die Entscheidungen des Gerichtshofs. Jedes Kirchenmitglied solle "entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der Kirche beitragen". Diesem Grundsatz trage das besondere Kirchgeld Rechnung. Er sei nun durch die Straßburger Entscheidungen bestätigt worden und könne sich auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen.
Der Menschenrechtsgerichtshof hatte über verschiedene Konstellationen zu entscheiden. Im ersten Fall wandte sich ein Mann gegen die Verrechnung des von seiner Ehefrau eingeforderten Kirchgelds auf seine Steuerrückerstattung. Straßburg sah darin zwar einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit des Mannes, verwies aber darauf, dass er diese leicht hätte vermeiden können; nämlich indem er auf eine gemeinsam veranlagte Einkommenssteuererklärung verzichtet hätte. Die Steuerersparnis durch die gemeinsame Veranlagung lag deutlich höher als das Kirchgeld von 2.220 Euro, das auf einem zu versteuernden Jahreseinkommen von mehr als 200.000 Euro beruhte.
Negative Religionsfreiheit verletzt?
Die weiteren Klagen wiesen die Straßburger Richter als unzulässig ab, weil der beklagte deutsche Staat nicht für die von den Kirchen autonom gestalteten Modalitäten der Kirchensteuer- bzw. Kirchgelderhebung belangt werden könne. Die Kläger hatten unter anderem kritisiert, dass sie auf finanzielle Hilfe ihres Ehepartners angewiesen seien, um das Kirchgeld zu bezahlen. Auch argumentierten sie, dass das Kirchgeld unverhältnismäßig hoch sei, wenn das Einkommen des Partners angerechnet wird. Schließlich kritisierten sie, dass die negative Religionsfreiheit der Ehepartner verletzt werde, also deren Freiheit, nicht zur Finanzierung der Kirchen herangezogen werden zu dürfen. (KNA)
06.04.2017, 18:36 Uhr: Ergänzt um die Stellungnahme der Kirchen. /jhe