Bischof Helmut Dieser über den Palmsonntag

Die Eingangstür zur Karwoche

Veröffentlicht am 08.04.2017 um 17:55 Uhr – Lesedauer: 
Die Eingangstür zur Karwoche
Bild: © KNA
Kirchenjahr

Aachen ‐ Erst jubelt das Volk: Hosanna, der Prophet Jesus von Nazareth kommt nach Jerusalem! Doch aus dem Jubel wird schnell Hass, schreibt Aachens Bischof Helmut Dieser im Gastbeitrag. Wer geht jetzt noch mit?

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Gemischte Gefühle

Kennen Sie das? Alles ist richtig, und trotzdem stimmt es hinten und vorne nicht. Ein Festtag ist da, aber der wichtigste Mensch kann nicht oder will nicht kommen. Familie, Erfolg im Beruf, Freunde, die gut tun, aber in mir drinnen, schleichend, nagend: Ich bin nicht am richtigen Ort, nicht auf der richtigen Spur - wo soll das hin? Und schließlich: Das Leben ist schön, das Leben verspricht alles, doch es hält nicht Wort, es kommt ins Wegrutschen, ins Kippen, ins Sterben, ins Alleinsein der Hinterbliebenen. Gemischte Gefühle: Wir kriegen sie nie ganz auseinander, die guten hierhin und die schlechten weit weg! Führt ein Weg geradeaus? Oder liegt die Kunst darin, sich das einzubilden, solange es geht?

Hosanna

Hurra! Wow! Voll krass! Manchmal allerdings trifft das Leben ins Schwarze, manche haben's halt drauf. Gerne bin ich dann dabei: Das ist der Prophet Jesus von Nazareth in Galiläa, sagen die Leute über Jesus. Hosanna, toll, was der macht! Hosanna, der sorgt endlich auch mal für uns! Hosanna, der schafft es bis nach ganz oben! Wir recht sie haben! Alles stimmt, alles ist richtig. Auch Jesus selbst weiß das: Sein Weg muss nach Jerusalem führen. Er wird mit seinem Leben und gerade mit diesem letzten Wegstück alles einholen und wahr machen, was durch die Propheten gesagt worden ist. Aber wer außer ihm merkt, dass all das Richtige schon längst am Kippen ist, dass es auf die Katastrophe hinausläuft, dass er nach Jerusalem hineinzieht, weil er dort für alle sterben wird?!

Bild: ©KNA

Helmut Dieser ist Bischof von Aachen.

Ostern feiern

Wer begreifen will, was der Palmsonntag mit Ostern zu tun hat, wer in das Ostergeheimnis hineinfinden will, darf seine eigenen gemischten Gefühle nicht verdrängen, muss sie zulassen. Jedes Jahr ist dieser letzte Sonntag vor Ostern die Eingangstür zur Karwoche und zum Osterfest. Diese Tage mitzufeiern bedeutet: mitgenommen werden in den Weg Jesu, der alle unsere gemischten Lebenserfahrungen einsammelt, mitnimmt, zu einem Ziel bringt, das alles lohnt und endlich versöhnt. Darum schon heute die grünen Zweige, der Jubel, die Freude und die Hoffnungen, die sich an Jesus heften: Ja, er wird uns nicht enttäuschen. Ja, er wird uns nichts schuldig bleiben, uns kein Unrecht tun. Doch wie anders könnte er das, wäre er nicht bereit, auch die Schrecken, die Wut, die Gewalt auf sich zu ziehen, zu denen wir fähig sind, weil uns immer irgendwann irgendwie alles aus der Hand gleitet?!

Siehe, dein König

Ein König, der auf einem Esel reitet, dieses Zeichen, macht Jesus an diesem Tag in Jerusalem anschaulich wahr. Es bleibt aber ein Rätsel, das nur im Mitgehen sich löst. Was ist denn königlich an ihm? Und warum kein Schlachtross und kein Tross um ihn herum, der alle in Schach hält? Bei so was mitgehen ist schwer, wie soll das gut gehen? Denn schon bald wird aus dem Jubel Hass, und aus der Freude die Genugtuung, dass er fertig gemacht wird. Mitgehen, immer noch?! Es ist schwer, es meint ja mein eigenes Leben. Der Palmsonntag, die Karwoche, das Osterfest: Nur das Mitgehen bedeutet wirklich glauben.

Und deshalb feiern wir es jedes Jahr neu, damit wir tiefer glauben und unser gemischtes Leben zur Freude findet, die nicht enden wird: Denn siehe, dein König kommt zu dir. Und siehe, er ist friedfertig. Und siehe, er hält die Bahn auch in seinem Leiden. Und er gelangt in das neue Leben der Auferstehung, und immer noch, ja gerade so als Todbezwinger, will er für dich dein König sein!

Von Helmut Dieser

Der Autor

Helmut Dieser (*15. Mai 1962) wurde im September 2016 zum Bischof von Aachen ernannt. Zuvor war er fünf Jahre lang Weihbischof im Bistum Trier.