Düstere Vergangenheit im Sklavenhandel
Mary D. Williams-Wagner spürte die Tränen schon aufsteigen, bevor die Zeremonie begonnen hatte. Gemeinsam mit rund 200 Männern und Frauen von jung bis alt nahm sie in dieser Woche an einer emotionalen Feierstunde in der Kapelle des Gothic College Campus der Georgetown University teil. Sie alle waren nach Washington gekommen, um etwas über ihre unbekannten Verwandten und deren Leben nach 1838 zu erfahren.
Damals hatten sich die Jesuiten von Georgetown auf einen verhängnisvollen Handel eingelassen. Sie verkauften 272 Schwarze, die auf den Jesuiten-eigenen Plantagen in Maryland gearbeitet hatten, als Sklaven nach Louisiana. 3,3 Millionen Dollar flossen in die Ordenskasse. Die erst junge Jesuiten-Universität war wirtschaftlich saniert.
Das "düstere Geheimnis von Georgetown"
Mehr als 178 Jahre später drohte der Ruf der Hochschule dadurch arg beschädigt zu werden. Wie viele andere erfuhr Williams-Wagner vor etwa einem Jahr durch einen Artikel in der "New York Times" von dem düsteren Geheimnis von Georgetown. Damals wurde auch bekannt, dass die betroffenen Sklaven nach Maringouin verkauft worden waren, einem Dörfchen in der Nähe von Baton Rouge im tiefsten Süden der USA.
Dort wuchs ihre Mutter auf, deren Familienstammbaum eine Verbindung zu der Geschichte der Jesuiten-Hochschule offenbarte. Sie war mit Isaac Hawkins verwandt, dessen Name ganz oben auf der Verkaufsliste stand. Mit dem damals 65-Jährigen gingen auch dessen Kinder und Enkelkinder in die Sklaverei. - Seit dieser Woche trägt ein Gebäude auf dem Georgetown-Campus seinen Namen.
Licht ins Dunkel um die Vergangenheit der heutigen Elite-Uni brachte Richard J. Cellini (53), ein ehemaliger Georgetown-Student. Der katholische Unternehmer aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts hat die Aufklärung der Rolle seiner Alma Mater im Sklavenhandel zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Historiker seines privat finanzierten "Georgetown Memory Projects" hatten die Verstrickung der Jesuiten im vergangenen Jahr mit Fakten belegt - auf einem 104 Seiten langen Bericht.
"Der Schmerz wird nie vergehen"
Demnach hatten Father Thomas F. Mulledy und Reverend William McSherry vor fast 180 Jahren die Idee, die finanzielle Misere der Universität mit dem einträglichen aber unmoralischen Deal zu lösen. Jesse Batey, ein Plantagenbesitzer, war der Käufer der 272 armen Seelen, der Kongressabgeordnete Henry Johnson aus Louisiana der Mittelsmann.
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Dem obersten Jesuiten in Rom wurde versprochen, Familien würden nicht getrennt und auch unter den neuen Besitzern sei der katholische Glaube der Menschen gesichert. Später bestätigte sich das Gegenteil. Das Entsetzen über die Entdeckung des damaligen Handels war groß. Der Präsident der Universität, John DeGioia, entschuldigte sich bei den Nachkommen ebenso wie der Washingtoner Weihbischof Barry Knestout. Der oberste Jesuit der USA und Kanadas, Father Tim Kesicki, nannte den Sklavenhandel im Namen des Ordens eine schwere Sünde. Der Schmerz darüber werde nie vergehen.
So einmütig die Schuldannahme auf kirchlicher Seite, so verschieden fallen die Reaktionen bei den Betroffenen aus. Posthume Namensgebungen für Gebäude auf dem Campus werden von Nachfahren nicht abgelehnt, doch begnügen wollen sich viele damit nicht. Im Gespräch ist auch eine Stiftung, die, mit einer Milliarde US-Dollar ausgestattet, vor allem den Nachkommen der Sklaven Zugang zur Georgetown-Universität ermöglichen soll. Williams-Wagner findet das gut und würde sich freuen, wenn ihr Enkel schon jetzt von der Ashford University in San Diego nach Washington wechseln könnte.