Fragen und Antworten zur "Woche für das Leben" der Kirchen

Reproduktionsmedizin boomt

Veröffentlicht am 25.04.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Lebensschutz

Bonn ‐ Die Reproduktionsmedizin hat sich seit den 1980er Jahren etabliert: Die Nachfrage steigt. Doch es gibt auch Kritik, ethische Probleme und Einschränkungen. Eine wichtige Position bezieht dabei die Kirche.

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Die beiden großen Kirchen befassen sich in ihrer "Woche für das Leben" vom 29. April bis 6. Mai mit dem Thema "Kinderwunsch - Wunschkind - Designerbaby".

Warum ist die technisierte Fortpflanzung so sehr gefragt?

In Deutschland ist nach Darstellung des Bundesfamilienministeriums fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos. Ursachen sind medizinische Probleme, aber auch die Tatsache, dass Paare ihren Kinderwunsch immer weiter aufschieben. Im mittleren Lebensalter aber lässt die Fruchtbarkeit bei Frauen deutlich nach. Aktuell ist jede zehnte Frau bei der Geburt ihres Kindes 38 oder älter. Die Folge: Die Reproduktionsmedizin boomt.

2015 wurden in 134 Kinderwunsch-Behandlungszentren insgesamt 97.796 Behandlungszyklen durchgeführt und fast 10.000 Kinder geboren. Ein weiterer Grund für die Nachfrage nach technisierter Fortpflanzung ist der Wunsch von homosexuellen Paaren nach Nachwuchs.

Welche reproduktionsmedizinischen Methoden sind in Deutschland verboten?

Nicht erlaubt ist die anonyme Samenspende. Hintergrund dieser Regelung ist, dass ein Kind in Deutschland die Möglichkeit haben soll, zu erfahren, wer sein biologischer Vater ist. Verboten ist auch die Leihmutterschaft, bei der eine Frau ein Baby für ein anderes Paar zur Welt bringt. Untersagt ist darüber hinaus die Eizellspende. Damit soll verhindert werden, dass ein Kind gewissermaßen zwei biologische Mütter hat: die Spenderin der Eizelle und die Frau, die das Kind austrägt.

Unter Druck geraten diese Verbote aber durch liberalere rechtliche Regelungen im Ausland: 2015 erregte eine 65-jährige Berlinerin bundesweit Aufsehen, weil sie nach Eizellspenden in der Ukraine mit Vierlingen schwanger war. Kompliziert ist die Rechtslage bei der Embryonenspende: Sie ist laut Embryonenschutzgesetz erlaubt, wenn sie "die einzige Möglichkeit ist, den Embryo vor dem Absterben zu bewahren". Es gibt allerdings auch Fast-Embryonen: Eizellen im sogenannten Vorkernstadium, die schon befruchtet, aber noch nicht ganz mit dem Samen verschmolzen sind. Aus ihnen können sich beim Auftauen Embryonen entwickeln. Für sie gibt es keine spezielle gesetzliche Regelung.

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Video: © katholisch.de

Ein Bluttest könnte die riskante Fruchtwasseruntersuchung bei Schwangeren ersetzen, die wissen wollen, ob ihr Kind Trisomie 21 hat. Ist das ein medizinischer Tabubruch? Wo führt diese Entwicklung in Zukunft noch hin?

Was ist in Deutschland erlaubt?

Künstliche Befruchtung ist ebenso erlaubt wie die Samenspende, wenn sie nicht anonym erfolgt. Auch darf jede Frau ihre eigenen Eizellen einfrieren lassen, um möglicherweise später Mutter werden zu können. Diskutiert wird aber eine Altersgrenze, bis zu der Frauen auf diese Technik zurückgreifen dürfen.

Welche ethischen Fragen ergeben sich durch die Reproduktionsmedizin?

Durch die Technik der Reagenzglasbefruchtung können Embryos vor der Einsetzung in den Mutterleib auf Gendefekte untersucht und im Zweifelsfall vernichtet werden. Kritiker sprechen mit Blick auf die auch in Deutschland unter bestimmten Bedingungen erlaubte Präimplantationsdiagnostik (PID) von einer Selektion von lebenswerten und lebensunwertem Leben.

Embryonen, die nicht eingepflanzt werden, werden in anderen Ländern auch für die Forschung freigegeben; auch in Deutschland gibt es Forderungen, diese Art der "verbrauchenden Embryonenforschung" zu erlauben. Kritiker sehen auf lange Sicht durch neue gentechnische Verfahren auch Gefahren einer Menschenzüchtung.

Auch Embryonen im Mutterleib werden auf Defekte untersucht. Gibt es da auch Probleme?

Angeboten werden diagnostische Verfahren zur Früherkennung von schweren Krankheiten des Embryos im Mutterleib. So gibt es neben der Fruchtwasseruntersuchung seit 2012 den sogenannten Pränatest, bei dem aus einem Tropfen Blut der Schwangeren mögliche Gendefekte ermittelt werden können. Kritiker befürchten einen erhöhten Druck zu Abtreibungen.

Welche sozialen Fragen stellen sich durch die Reproduktionsmedizin?

Es entsteht eine wachsende Vielfalt von Familienkonstellationen, die von Patchworkfamilien bis zu homosexuellen Paaren reicht, die durch Leihmutterschaft, Samen-, Eizell-, oder Embryonenspenden Eltern werden. Biologische, rechtliche und soziale Elternschaft können auseinanderfallen. "Unsere Gesetze sind für zwei miteinander verheiratete Eltern geschrieben. Sie müssen dringend an die neuen Realitäten angepasst werden", erklärte Bundesverfassungsrichterin Gabriele Britz im vergangenen Jahr auf dem Deutschen Juristentag.

Welche Position haben die Kirchen?

Biologische und medizinische Wissenschaft ermöglichen neue technische Verfahren; sie geben aber nach den Worten des Mainzer katholischen Moraltheologen Johannes Reiter kein Orientierungswissen mit Blick auf ethische Grenzen und Fragen der Menschenwürde. Die Kirchen verstehen sich deshalb als Anwalt der Humanität sowie der Unverfügbarkeit und Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Kinder seien ein Geschenk der Liebe und nicht das Produkt einer Labortechnik. Dabei wendet sich die katholische Kirche strenger als die evangelische gegen die Methoden der Fortpflanzungsmedizin.

Von Christoph Arens (KNA)