Felix Neumann über das Berliner Neutralitätsgesetz

Zu religiös für den Staat

Veröffentlicht am 18.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Felix Neumann über das Berliner Neutralitätsgesetz

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Das Berliner Neutralitätsgesetz ist ein ausgesprochen kurzes Gesetz, das mit einer Lüge beginnt: "Alle Beschäftigten genießen Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses." Diese Freiheit wird mit dem Gesetz jenen Staatsbeschäftigten verwehrt, deren Glauben sich nicht auf einen unauffälligen, rein innerlichen Sonntagsglauben reduzieren lässt: Die Muslima, die das Kopftuch für eine religiöse Pflicht hält. Der Jude, der Kippa trägt. Und die Christin, der das Kreuz um den Hals per Dienstanweisung verboten wird.

Jetzt trägt sie ein Fischsymbol an ihrer Kette – jenes Geheimzeichen der verfolgten Christen im alten Rom, in dem das Bekenntnis zu Jesus Christus als Sohn Gottes und Retter steckt. Und jetzt muss das Land entscheiden, ob auch das zu demonstrativ religiös ist.

Die Präambel des Neutralitätsgesetzes steckt die Pole ab: Glaubens- und Gewissensfreiheit des einzelnen Staatsdieners auf der einen, Neutralitätspflicht des Staates auf der anderen Seite – beides unabdingbare Prinzipien in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Die Neutralität des Staates aber durch die erzwungene Neutralität einzelner Menschen herstellen zu wollen, ist ein Irrweg. Die Lehrerin mit dem Fischanhänger zeigt, zu welchen absurden Verrenkungen ein solches Ansinnen führt: Der Staat will neutral sein, aber plötzlich hat er sich in eine Situation manövriert, in der er mehr oder weniger offensichtliche Äußerungen als (zu) religiös einsortieren muss.

Positiv verstanden würde Neutralität des Staates bedeuten, dass religiöse wie nichtreligiöse, praktizierende wie nichtpraktizierende Gläubige für ihn arbeiten können. Ein christlicher Lehrer, eine muslimische Polizistin, ein jüdischer Richter, eine atheistische Gefängnisdirektorin muss anhand des Verhaltens bewertet werden, nicht an der Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit der jeweiligen Religion.

Religiöse Menschen, die mit ihrem Glauben nicht hinter dem Berg halten, prägten und prägen unser Land, ohne sie wäre unsere Zivilgesellschaft arm – nur im Staatsdienst sollen sie ihren Glauben verleugnen müssen. In Berlin ist diese so religiös unmusikalische wie pluralitätsunfähige Auslegung staatlicher Neutralität Gesetz: Religionsfreiheit herrscht für die Landesbediensteten nur dann, wenn sie sowieso keine Religionsfreiheit brauchen.

Von Felix Neumann

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.