In Berlin könnte eine Katholisch-Theologische Fakultät entstehen

Mehr Theologie für die Hauptstadt

Veröffentlicht am 23.05.2017 um 15:00 Uhr – Lesedauer: 
Universität

Berlin ‐ Wer Theologie studieren möchte, denkt nicht zuerst an Berlin als Hochschulort. Das liegt auch an den beschränkten Möglichkeiten eines Theologiestudiums in der Hauptstadt. Doch das könnte sich bald ändern.

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Berlin ist mit knapp 180.000 Studenten die größte deutsche Universitätsstadt. Doch für das Studium der Katholischen Theologie ist die Bundeshauptstadt nicht gerade die erste Wahl: Am bestehenden Seminar für Katholische Theologie der Freien Universität (FU) gibt es nur eine reguläre Professur und zwei Juniorprofessoren – und das, obwohl der Berliner Senat 1995 mindestens zwei ordentliche Lehrstühle zugesichert hatte. Neben dem Katholisch-Theologischen Seminar an der FU besteht seit 2005 an der anderen großen Berliner Hochschule, der Humboldt-Universität (HU), die Guardini-Professur für Religionsphilosophie und Katholische Weltanschauung. Derzeit hat der italienische Religionsphilosoph Ugo Perone den Stiftungslehrstuhl inne. Schon seit Jahren will die Deutsche Bischofskonferenz, die selbst in der ehemaligen Hauptstadt Bonn ihren Sitz hat, die Präsenz der Katholischen Theologie an der Spree erhöhen. Dazu gibt es mehrere Überlegungen, von denen momentan besonders eine intensiv diskutiert wird.

Die Gründung einer Fakultät für Katholische Theologie ist im Gespräch. Auslöser dafür war der Beschluss des Berliner Senats, 2018 ein Institut für Islamische Theologie an der HU zu gründen. Dabei erinnerte man sich an Überlegungen aus den 1990er Jahren, nach der deutschen Wiedervereinigung eine Katholisch-Theologischen Fakultät an der HU anzusiedeln. Um diesen Plan Wirklichkeit werden zu lassen, müssten jedoch zahlreiche Gremien, Personen und Institutionen zustimmen: Der Berliner Erzbischof Heiner Koch, der die Lehre des katholischen Glaubens in Berlin verantwortet; die FU und die HU, da die Katholische Theologie von der einen an die andere Hochschule wechseln würde; und der Senat als Parlament des Landes Berlin. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte bei der Frühjahrsvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken im Mai bereits seine Unterstützung zugesagt.

Bild: ©dpa

Heiner Koch ist seit 2015 Erzbischof von Berlin.

Müller hatte eine Zusammenführung der unterschiedlichen Theologien gefordert und eine Bedingung gestellt. Der interreligiöse Dialog müsse "auch in der Wissenschaft spürbar werden", so der Regierende Bürgermeister. Dies könne "perspektivisch zu einer gemeinsamen Fakultät" führen. Auch Rolf Schieder, der Studiendekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät der HU, hatte die Möglichkeit einer interreligiösen Fakultät der Theologien ins Spiel gebracht.

Erzbischof fordert Katholisch-Theologische Fakultät für Berlin

In Deutschland wäre dies Neuland, da bisher noch zwischen den von den Kirchen verantworteten Theologien und der Religionswissenschaft – also dem Studium der Religionen aus einem nichtgläubigen Blickwinkel – stark unterschieden wird. Besonders in angelsächsischen Ländern finden sich bereits vermehrt theologische Fakultäten, die nicht unter kirchlicher Aufsicht stehen. Etwa das Department of Religions and Theology des Trinity College Dublin in Irland. Es war zunächst eine Ausbildungsstätte für den zukünftigen Klerus, wandelte sich aber innerhalb von Jahrzehnten zu einer konfessionell nicht gebundenen Einrichtung. Auch in den USA haben einige universitäre Theologieseminare diese Entwicklung durchgemacht.

Für die Kirchen würde eine solche Lösung einen Verlust von Einflussmöglichkeiten bedeuten. Deshalb kritisiert sie der Berliner Erzbischof und fordert die Errichtung einer eigenen Fakultät für Katholische Theologie. Andere Theologen, wie der in den USA lehrende Protestant Ingolf Dalferth, unterstützen Koch in seiner Position. Dalferth sieht bei einer multireligiösen Theologie-Fakultät die Gefahren des "Abbaus christlicher Theologie" und das "Verschwinden theologischer Abschlüsse".

Bild: ©KNA

Annette Schaven ist die deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Die ehemalige Bildungsministerin war von 2008 bis 2014 Honorarprofessorin für Katholische Theologie in Berlin.

Auch die deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, meldete sich in der Diskussion zu Wort. Schavan, die in ihrer Zeit als Politikerin in Berlin auch einen Lehrauftrag als Honorarprofessorin für Theologie an der FU hatte, sprach sich für eine eigenständige Fakultät aus. Eine engere Kooperation mit den anderen Theologien und vor allem mehr räumliche Nähe würde Schavan begrüßen. An der Universität Münster wird dieses Konzept derzeit verwirklicht: Dort entsteht ein "Campus der Religionen". Die Fakultäten der Katholischen, Evangelischen und Islamischen Theologie und eine Professur für Orthodoxe Theologie werden in einem Gebäude untergebracht. Auch inhaltlich soll es ein Konzept geben, das eine enge Zusammenarbeit vorsieht. So etwas fordert die ehemalige Bildungsministerin auch für Berlin.

Pläne für Ordenshochschule in Berlin

Eine außeruniversitäre Stärkung der Katholischen Theologie in der Hauptstadt würde eine andere Gründung bewirken: Seit mehreren Jahren plant die Deutsche Bischofskonferenz die Einrichtung eines theologischen Wissenschaftskollegs. Sie will an dieser Möglichkeit trotz der Errichtung einer Fakultät festhalten und würde damit eine akademische Einrichtung fördern, die hauptsächlich der Förderung von Gastwissenschaftlern dient. In diesem Fall, von Theologen, die in Berlin Lehraufträge und Forschungsprojekte durchführen. Zudem soll das Wissenschaftskolleg in das säkulare Berlin hineinwirken.

Eine dritte, ebenfalls seit einigen Jahren diskutierte Möglichkeit ist eine gemeinsame Theologische Hochschule mehrerer Orden in Berlin. Dort ist bereits das forschungsorientierte "Institut M.-Dominique Chenu" der Dominikaner ansässig, das eng mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster in Trägerschaft des Kapuzinerordens zusammenarbeitet. Ein Umzug der Kapuziner-Hochschule nach Berlin in den nächsten Jahren wird von den zuständigen Gemeinschaften erwogen und würde durch die angestrebte Neugründung andere Orden in das Projekt integrieren.

Zur Stärkung des Theologie-Standortes Berlin liegen viele Ideen von verschiedenen Akteuren vor. Den zahlreichen Berliner Studenten ist zu wünschen, dass sie bald bei mehr Theologie-Professoren als momentan studieren können.

Von Roland Müller