Spezielle Situation der Kirche in China

Chinas zwei Kirchen

Veröffentlicht am 24.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
China

Bonn ‐ Christen führen in China kein leichtes Leben. Doch ihre Geschichte in dem kommunistischen Land ist vielfältig - und noch nicht zuende. Denn gerade jetzt könnte ein entscheidender Wendepunkt erreicht werden.

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Am 24. Mai wird jährlich zum Gebet für die Kirche in China aufgerufen. Diesen Tag hatte Papst Benedikt XVI. 2007 eingeführt. Er wählte das Datum, an dem die traditionelle Wallfahrt zum größten chinesischen Marienheiligtum Sheshan in der Nähe von Shanghai stattfindet. Schätzungsweise 12 bis 14 Millionen Chinesen sind laut dem China-Zentrum katholisch und 25 bis 50 Millionen protestantisch – bei 1,3 Milliarden Chinesen eine Minderheit. Das China-Zentrum ist ein Verein, der die Begegnung und den Austausch zwischen Kulturen und Religionen im Westen und in China fördern will.

Die Geschichte des Christentums in China ist so lang wie wechselvoll: Im 7. Jahrhundert gelangten Handelsleute über die Seidenstraße nach China. Sie waren Christen der ostsyrischen Kirche und wurden offenbar gut aufgenommen – davon zeugt die Nestorianische Steele, ein Kalkstein mit chinesischer und syrischer Inschrift. Sie berichtet von der Anerkennung der christlichen Religion durch Kaiser Taizong und ihrer Verbreitung. Im 9. Jahrhundert ließ Kaiser Wuzong, ein Anhänger des Daoismus, die Buddhisten und andere Religionen jedoch verbieten und verfolgen.

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Sein Großvater, ein hoher Beamter, wurde wegen seines Glaubens zur Strafe aufs Land versetzt. Franz Feng selbst ist sich jedoch sicher: Als bekennender Katholik kann man in China mittlerweile gut leben. (Artikel von November 2016)

Mitte des 16. Jahrhunderts reisten Missionare der Jesuiten nach China. Einer von ihnen, der Italiener Matteo Ricci, wurde für seine Erfolge bekannt: Er versuchte, den christlichen Glauben der chinesischen Kultur anzupassen, um so die Grundlage für eine Vermittlung zu schaffen. Außerdem beeindruckte er chinesische Gelehrte mit seinen Kenntnissen in der Mathematik und der Astronomie. So schaffte er es, sich am Chinesischen Kaiserhof einen Namen zu machen. Doch der Versuch der Jesuiten, den christlichen Glauben mit den chinesischen Moralvorstellungen in Einklang zu bringen und so etwa chinesischen Christen zu erlauben, weiterhin ihre Ahnen zu verehren, endete im Ritenstreit: Papst Clemens XI. verbot im Jahr 1704 chinesische Riten. Daraufhin untersagte der chinesische Kaiser die christliche Missionierung.

Ausweisung aller Missionare

Erneut verstärkten Kontakt mit dem christlichen Glauben bekamen die Chinesen im 19. Jahrhundert: Evangelische und katholische Missionare spielten durch Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen eine große Rolle bei der Modernisierung des Landes. Bald nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 durch die Kommunisten jedoch wurden alle ausländischen Missionare ausgewiesen. Christen hatten es zunehmend schwer, ihren Glauben auszuüben. In der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 dann wurde jede Religion als Versuch feindlicher Einflussnahme und als Instrument der herrschenden Klasse verurteilt und verfolgt. Erst mit der Öffnung Chinas in den 1980er Jahren wurde religiöses Leben wieder möglich.

Heute stehen zwar die "Freiheit des religiösen Glaubens" und der "Schutz normaler religiöser Aktivitäten" in der chinesischen Verfassung. Doch das gilt nur für die fünf staatlich anerkannten Religionen Katholizismus, Protestantismus, Buddhismus, Daoismus und Islam. Sie alle müssen sogenannte Patriotische Vereinigungen unterhalten – damit will die chinesische Regierung die Religionsgemeinschaften kontrollieren. Tatsächlich sollte durch diesen Schritt auch ausländische Einflussnahme verhindert werden, weswegen die Katholisch-Patriotische Vereinigung offiziell unabhängig vom Heiligen Stuhl ist. So kommt es, dass ihre Bischöfe seit 1958 von der Vereinigung ausgewählt und zwar vom chinesischen Staat, aber nicht vom Papst anerkannt werden.

Bild: ©dpa/Stephan Scheuer

Katholiken bei einem katholischen Gottesdienst in China.

Katholische Chinesen, die nicht dieser staatskonformen Kirche angehören möchten, sind in der Untergrundkirche organisiert. Diese ist romtreu und wurde bereits in den 1950er Jahren etabliert, als die kommunistische Regierung die Verbindung von chinesischen Katholiken mit dem Papst in Rom unterbinden wollte. Inzwischen gibt es vielerlei Annäherungen zwischen den beiden Kirchen. Einerseits von offizieller Seite durch Gespräche zwischen Rom und Peking. So wurde im November 2016 ein Bischof geweiht, der sowohl vom Vatikan als auch von der chinesischen Regierung anerkannt ist. Andererseits fühlen sich die chinesischen Gläubigen selbst unterschiedslos als Katholiken und beten sogar in Gottesdiensten der offiziellen Kirche für den Papst. Immer wieder gibt es jedoch auch Rückschläge. So werden etwa Geistliche verschleppt, wenn sie der Regierung nicht zusagen, wie im Fall von Bischof Peter Shao Zhumin, Untergrund-Bischof von Wenzhou.

Kommunismus und Christentum?

Noch heute wird kommunistische Ideologie in den Schulen und Universitäten unterrichtet. Das Interesse der Chinesen an den Religionen ist dennoch groß. Gerade unter Akademikern sind viele am Christentum und an der Bibel interessiert. Das fällt nicht nur durch die gestiegene Zahl an Veröffentlichungen nichtchristlicher Wissenschaftler zur christlichen Theologie auf, sondern auch durch die Besucherzahlen in Kirchen an Hochfesten wie Weihnachten: Manche Gemeinden geben inzwischen Eintrittskarten aus, um den Andrang an neugierigen Besuchern regulieren zu können.

Die Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der chinesischen Regierung laufen weiter – und befinden sich laut Erzbischof Ludwig Schick in einer sehr wichtigen Phase. "Es geht um wesentliche Fragen zur Einheit der Kirche und ihrer Freiheit", so der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz im Vorfeld des Gebetstags. Es sei dem Papst aufgetragen, die Einheit der Kirche zu wahren und zu garantieren. "Deshalb fordert das Kirchenrecht, dass der Nachfolger des heiligen Petrus alle Bischöfe auf der ganzen Erde frei ernennen und mit allen Ortskirchen ungehindert kommunizieren kann." Ein Konsens zeichne sich offenbar bei den Bischofsernennungen ab. Zu den offenen Punkten gehörten der Umgang mit den mehr als 30 gültig geweihten katholischen Bischöfen in China, denen die staatliche Anerkennung fehlt, und die Frage, wie mit den Bischöfen verfahren werde, die ohne Zustimmung Roms geweiht wurden, so Schick.

Von Johanna Heckeley