Begeisterung statt Kampfgeist
Es ist wieder da: das Thema Frauen und Kirche. Die Dogmatikerin Johanna Rahner argumentiert mit verschärfter Dringlichkeit, die Kirche könne es sich "weder theologisch noch soziologisch leisten, Frauen nicht zu weihen". Christiane Florin widmet der Diskussion gleich ein ganzes Buch. Die Botschaft ihrer Neuerscheinung "Der Weiberaufstand" lautet: "Wo ein Wille ist, ist auch eine Weihe." Ähnlich wie der Zankapfel Zölibat erhitzt die Frage nach der weiblichen Weihe weiterhin die Gemüter. Nur: Wollen die Frauen, die dafür eintreten, wirklich das, was sie fordern?
"Wir müssen einfach weiterkämpfen" - Stimmt das?
Sieht man sich einmal die Sprache an, in der Rahner, Florin und ihre Mitstreiterinnen für das Amt der Frau in der Kirche eintreten, begegnet nicht selten ein mit scharfem Vokabular angereicherter Machtdiskurs. Nicht umsonst lautet der Untertitel des "Weiberaufstands": "Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen". In einem Video der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Thema "Diakonat der Frau" lautet der eingeblendete Slogan: "Wir müssen einfach weiterkämpfen". Rahner schließlich spricht von einem "Recht" auf die Weihe für Frauen, worüber nicht mehr diskutiert werden müsse.
Geht es bei dem Weiheamt tatsächlich um Macht, Einfluss – oder gar Kriegsführung? Im Gegenteil. Schon Jesus macht seinen Jüngern deutlich, wie sich seine neue Bewegung von der von Autokraten geprägten Umwelt unterscheiden soll: "Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein" (Mt 20,26). Allein, dass Jesus das so betonen muss, zeigt, dass dies nicht einmal für seine engsten Anhänger selbstverständlich war. Menschlich, allzu menschlich hatten zwei von ihnen gefordert, rechts und links neben ihm sitzen zu dürfen. Jesus macht klar: Eine solche Logik teilt vielleicht die Gesellschaft, das Christentum aber nicht. Hier kommt es gerade nicht darauf an, wer der Erste, Mächtigste oder Größte ist, sondern wer sich selbst auch einmal klein machen kann.
Linktipp: Im Kampf und Gebet für Diakoninnen
Frauen spiele eine zentrale Rolle in der Kirche, können aber keine Weihe empfangen - noch, meint das "Netzwerk Diakonat der Frau". Am "Tag der Diakonin" macht es auf sein Anliegen aufmerksam. (Artikel vom April 2017)Nun kann man mit Recht einwenden, dass auch das aktuelle Bodenpersonal Gottes sich das noch nicht ganz hinter die Ohren geschrieben hat. Noch immer begegnet man kirchlichen Amtsträgern, die weniger die Ausstrahlung haben, anderen zu dienen, als vielmehr, sich bedienen zu lassen. Bewusst oder unbewusst lassen sie sich besonders behandeln, nehmen sich heraus, was Anderen versagt ist, prahlen mit Besitz und Einfluss oder machen insgesamt ihren Unterschied zum "ganz normalen" Kirchenvolk allzu deutlich.
Alle folgen Christus nach
Sollte die Konsequenz sein, als Frau ein solches, so oft falsch verstandenes Amt zu fordern, weil es mit Macht und Einfluss verbunden ist? Ich meine, es sollte uns vielmehr um eine Neuentdeckung dessen gehen, was Christsein bedeutet. Wenn endlich der uralte Hiat zwischen Laien und Klerus überwunden würde, könnte deutlich werden, dass wir alle, zölibatär oder verheiratet, unfreiwillig oder freiwillig Single, hauptamtlich oder ehrenamtlich, Christus nachfolgen. Brauchen Frauen wirklich eine offizielle Anstecknadel der Kirche, um sie zu Zeuginnen Christi zu machen, oder reicht es nicht, von ihm begeistert zu sein? Wäre ein solches authentisches Wirken nicht unendlich fruchtbringender als verhärmte und verhärtete Gesichter, die die ewig gleichen Verkündigungsämter fordern, anstatt die Frohe Botschaft in ihrem Alltag und Umfeld einfach einmal zu verkündigen?
Dass diese Verkündigung dringend notwendig ist, zeigt die Tatsache, dass die eigentlich selbstverständlich klingende Aussage, dass alle Katholikinnen und Katholiken unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Funktion zu einer individuellen Christusnachfolge berufen sind, in den Pfarrgemeinden selten auf fruchtbaren Boden fällt. Vielmehr bekommt das allgemeine Kirchenvolk den Eindruck, es gebe hauptamtliche Mitarbeiter, die für ihren Job bezahlt werden. Schnell werden sie mit "der Kirche" identifiziert – dass man selbst genauso Gesicht der Kirche ist, bleibt auf der Strecke. Überhaupt wirken die Hauptamtlichen für die Gläubigen weit weg und sind in der Kirche im Wesentlichen im Altarraum anzutreffen. Oder wann haben Sie das letzte Mal Ihren Pfarrer oder Ihre Pastoralreferentin einfach so betend in der Kirchenbank getroffen? Sollte ich als Frau also dafür eintreten, endlich mit Albe und bunter Stola im Chorraum stehen und die "einfachen Gläubigen" hinter mir lassen zu dürfen?
Ich bin überzeugt: Wer sich in besonderer Weise für eine erneuerte Kirche einsetzen möchte, sollte den Gläubigen stattdessen ihre grundlegende Berufung neu erschließen, die sie in der Taufe empfangen haben. Und das nicht, indem er oder sie große Worte vom Ambo verlauten lässt, sondern indem man mit den Menschen in der Bank betet, ihnen ein offenes Ohr schenkt und gemeinsam mit ihnen um den Glauben ringt. Kein Geringerer als der Namensgeber des aktuellen Papstes, der heilige Franziskus, hat einmal den schönen Satz gesagt: "Verkündigt das Evangelium, und wenn es nötig sein sollte, dann auch mit Worten."
Klerus und Laien müssen neu aufeinander zugehen
Manchmal wirkt es so, als sei die Rettung des langsam aber stetig sinkenden Schiffs Katholische Kirche in Deutschland einzig die Zulassung von Frauen zum Weiheamt. Dann, so die Hoffnung, werden die Kirchen wieder voll. Aber würde allein die Öffnung des Amts dafür sorgen, dass die Botschaft Christi plötzlich wieder Relevanz für das Leben des Otto-Normal-Gläubigen hat? Daher mag die Lösung ganz woanders liegen: in der Wiederentdeckung der Berufung aller Gläubigen. Nicht umsonst erhält jeder (!) Täufling durch die Salbung bei seiner Taufe Anteil am Priester-, Königs- und Prophetenamt Christi. Wo diese Berufung verwirklicht, ausgestrahlt, verkündet wird, kann sie auch auf andere überspringen. Dieses Zeuge-Sein muss aber erst wieder gelernt werden. Dafür braucht es von Klerus und Laien ein neues Zugehen aufeinander, damit die Laien nicht das Gefühl haben müssen, erst dann ihre Berufung zum Jünger oder zur Jüngerin leben zu können, wenn sie lautstark ein entsprechendes Amt dafür eingefordert haben.
Wie unsympathisch Macht wirken kann, sieht man übrigens selten so gut wie in Zeiten, in denen sie Namen trägt wie Trump oder Putin. Oder, um ein deutlich angenehmeres Bild zu verwenden: "Macht ist, wie Gin auf leeren Magen zu trinken. Man fühlt sich schwindlig, betrinkt sich, verliert seine Balance und schadet schließlich sich selbst und allen um einen herum, wenn man seine Macht nicht mit Demut und Zärtlichkeit verbindet." Wer solche lässigen Metaphern verwendet? Papst Franziskus, auf den sich Frauen in der Kirche ansonsten so gerne berufen. Warum machen wir das nicht auch hier und strahlen weniger Kampfgeist für das mit Macht beladene Amt und umso mehr Begeisterung für Christus aus?