Christliche Kirchen sind bei "Ehe für alle" uneins
Vor der Abstimmung des Bundestages über die "Ehe für alle" am Freitag hat sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für eine vollständige Öffnung des "rechtlichen Raums" für homosexuelle Lebenspartner ausgesprochen. "Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch keineswegs geschmälert. Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen", betont der EKD-Rat in einer am Mittwochabend veröffentlichten Pressemitteilung.
Zur Frage der "Ausgestaltung eines rechtlichen Rahmens" gebe es in den evangelischen Landeskirchen wie in der weltweiten Kirche jedoch "unterschiedliche Auffassungen, die auch weiterhin ihre Berechtigung haben werden", betont der EKD-Rat. Die Debatte um die "Öffnung der Ehe" sei über mehrere Jahre ernsthaft und mit wechselseitigem Respekt geführt worden. "Wir hoffen, dass sie in diesem Geiste auch am Freitag im Bundestag geführt wird."
Für die Evangelische Kirche in Deutschland seien "Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung", heißt es weiter. Aus Sicht der EKD bilde die Ehe "den rechtlichen Rahmen für ein Zusammenleben von zwei Menschen, das auf lebenslanger Treue beruht". Dass auch gleichgeschlechtlich liebenden Menschen dieser rechtliche Rahmen nun geöffnet werden soll, begrüße die EKD.
Evangelische Allianz hält an Ehe von Mann und Frau fest
Demgegenüber kritisiert die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) das Gesetzesvorhaben scharf. Das Netzwerk evangelikaler Christen halte weiterhin an der Ehe zwischen Mann und Frau als "Keimzelle einer jeden Gesellschaft" fest. "Wird dieses Eheverständnis aufgelöst, werden sich weitere Fragen ergeben: etwa, ob auch Polygamie oder Geschwisterehen legalisiert werden sollen", erklärt der Bundesvorstand auf der Internetseite der DEA.
Linktipp: "Ehe für alle:" Jung wirft SPD Vertrauensbruch vor
Die Union bleibt bei ihrer Haltung zur "Ehe für alle", sagt Franz-Josef Jung. Das werde sich auch bei der Abstimmung im Bundestag klar zeigen. Katholisch.de hat den christdemokratischen Sprecher für Religionspolitik gefragt, warum die Fraktion den Abgeordneten die Entscheidung dennoch freigibt.Das Netzwerk sehe in der geplanten Einführung der "Ehe für alle" eine "normative Veränderung des Ehebegriffs." Die DEA habe verfassungsrechtliche Bedenken, "die Grundrechte, die im Grundgesetz in den Artikeln 1-19 formuliert sind, nach den jeweiligen gesellschaftlichen Strömungen umzuinterpretieren, oder sie aus wahltaktischen Gründen in Frage zu stellen." Mit Bezug auf die Freigabe der Entscheidung im Bundestag als Gewissensentscheidung der Abgeordneten erklärt der Vorstand, die eigentliche Gewissensfrage müsse lauten, ob man einer "Neuinterpretation der Ehe" zustimmen könne.
Katholische Kirche wendet sich an Abgeordnete
Auch die katholische Kirche betont erneut ihre Ablehnung der "Ehe für alle". Der Leiter des Katholischen Büros Berlin, Karl Jüsten, wandte sich mit einem Brief an die Bundestagsabgeordneten. Darin rief er sie auf, dem Gesetzesvorhaben nicht zuzustimmen. In dem Schreiben, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, verweist Jüsten auf verfassungsrechtliche Bedenken und die große Bedeutung der Ehe für das Gemeinwesen. "Kirche, Staat und Gesellschaft teilen die Erfahrung, dass in der Ehe die Aspekte einer verlässlichen Paarbeziehung und der Weitergabe des Lebens der leiblichen Eltern an ihre Kinder in besonderer Weise verbunden sind."
Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, die ablehnende Haltung der katholischen Kirche mit den Worten begründet, die Ehe sei "die Lebens- und Liebesgemeinschaft von Frau und Mann als prinzipiell lebenslange Verbindung mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben". Auch der religionspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Franz Josef Jung (CDU), teilte im Interview mit katholisch.de diese Auffassung: "Um es klar zu sagen: Ehe im Sinne unserer Verfassung ist auf Nachwuchs angelegt." Jung erwarte zudem, dass die Abgeordneten der Union die Gesetzesänderung "auch in namentlicher Abstimmung in großer Mehrheit ablehnen". (kim/KNA)