Sudans Christen wird nicht nur der Kirchenbau verboten

"Rachefeldzug gegen die Kirche"

Veröffentlicht am 25.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Christenverfolgung

Kapstadt/Khartum ‐ Die im Sudan zum Tode verurteilte Christin Mariam Yahia Ibrahim Ishag ist auf ihrer Flucht am Donnerstag in Italien eingetroffen und wurde vom Papst zu einer Audienz empfangen. Währenddessen zieht die Religionspolitik des ostafrikanischen Landes bereits neue Kritik auf sich. Kirchliche Organisationen verurteilen den Baustopp, den die Regierung über christliche Kirchen verhängt hat.

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"Wir sind Bürger des Sudan, und laut der Verfassung stehen uns Religionsfreiheit und ein Platz zum Beten zu", so Kori El Ramli, Generalsekretär des "Konzils sudanesischer Kirchen". Auch Andy Dipper von der Organisation "Christian Solidarity Worldwide" wertet das Verbot als eine Verletzung der Glaubens- und Religionsfreiheit, ebenso wie die wiederholte Zerstörung und Beschlagnahmung von Kirchenland. Die Kritik folgt der Ankündigung von Religionsminister Shalil Abdallah, keine neuen Genehmigungen für den Bau von Kirchen ausstellen zu wollen. Zur Begründung gab er an, Christen seien im Land eine Minderheit, und es gebe es bereits "genug Kirchen".

Bild: ©KNA

Papst Franziskus segnet am 24. Juli 2014 die zum Tode verurteilte Christin Meriam Jahia Ibrahim Ishag und ihre Tochter, die sie in einem Gefängnis im Sudan geboren hatte. Die Tochter eines Muslims wurde verurteilt, weil sie einen Katholiken geheiratet hatte.

"In vielen Bereichen diskriminiert"

"Unterdrückung von Christen ist nichts Neues", sagt Daniel Adwok, Weihbischof in der Diözese Khartum. Eine "Islamisierung der sudanischen Gesellschaft" habe bereits begonnen, als der Sudan 1956 unabhängig wurde. Zwar könnten Christen am Sonntag ohne Furcht zur Kirche gehen, Bibelunterricht abhalten und gemeinsam beten. "Aber das Christentum besteht nun mal nicht nur aus beten", so Adwok. Immer noch würden Christen in der Gesellschaft nicht gleichermaßen anerkannt wie Muslime. "In vielen Bereichen werden sie diskriminiert, etwa in Politik oder Rechtsprechung."

Die meisten Bewohner des Sudan sind sunnitische Muslime. Wieviele Christen, meist Kopten oder Katholiken, tatsächlich hier leben, ist ungewiss. Eine offizielle Statistik fehlt, die Zahlen reichen von fünf bis elf Prozent. Ihnen garantiert die Übergangsverfassung von 2005 zwar eine umfassende Religionsfreiheit. Doch das Regime unter Präsident Omar al-Baschir ist dafür bekannt, seine eigenen Interessen über das Grundgesetz zu stellen.

Präsident hat Sudan zum Gottesstaat erklärt

Baschir hatte den Sudan zu einem Gottesstaat erklärt. In mehreren Regionen herrscht das islamische Recht, die Scharia. Die wurde auch Meriam Ibrahim zum Verhängnis, deren Todesurteil durch einen islamischen Richter um die Welt ging. Die junge Sudanesin wurde als Tochter eines Muslims und einer orthodoxen Christin geboren. Da ihr Vater bereits in ihrer Kindheit die Familie verließ, wurde Ibrahim christlich erzogen. Ein Scharia-Richter betrachtete dies als "Glaubensabfall" und verurteilte Ibrahim im April zum Tod.

Es war nicht das erste Todesurteil, das islamische Richter über christliche und muslimische Frauen verhängten. 2012 sorgte der Fall von Intisar Scharif Abdallah für Aufsehen; sie sollte wegen Ehebruchs gesteinigt werden. Beide Urteile wurden später auf internationalen Druck hin fallengelassen.

Bischof Adwok schätzt, dass die Luft für sudanesische Christen noch dünner wurde, als sich der Südsudan 2011 für unabhängig erklärte. Der Großteil der Sudanesen im Süden waren Christen. "Baschir hatte verkündet, der Sudan werde ein islamischer Staat, sobald der Südsudan unabhängig ist", so der Bischof. "Aber die Leute in der Nuba-Region und viele andere ethnische Südsudanesen leben nach wie vor im Sudan. Die Regierung tut einfach so, als ob es sie nicht gäbe."

Regime macht die Kirche für die Abspaltung des Südens mitverantwortlich

Die Kirche hatte während des Unabhängigkeitskriegs für eine friedliche Lösung plädiert und befürwortete das Votum für die Unabhängigkeit. Das Regime macht die Kirche also für die Abspaltung des Südens mitverantwortlich. Viele vermuten nun einen Rachefeldzug der sudanesischen Regierung.

Das Bauverbot für Kirchen bringt zusätzliche Brisanz, nachdem die Behörden in diesem Jahr bereits den Abriss von mindestens zwei Kirchen anordneten. So walzten Bulldozer im Februar eine Kirche in Omdurman nieder, einem Vorort von Khartum. Das Land wurde beschlagnahmt, die Bewohner in den Norden der Hauptstadt zwangsumgesiedelt. Eine neue Kirche durften sie dort nicht errichten.

Von Markus Schönherr (KNA)