"Mülleimer sein für den Frust"
Marc Meiritz ist wütend, enttäuscht und sehr müde. Der Diakon und katholische Polizeiseelsorger in Hamburg hat ein unbeschreibliches Wochenende hinter sich. Wie alle seine Kollegen aus der Stadt und aus dem gesamten Bundesgebiet auch, die beim G20-Gipfel im Einsatz waren. "Das habe ich in 28 Jahren Polizeiarbeit noch nicht erlebt", schimpft Meiritz. Solch ein "Ausbruch an exzessiver Gewalt" sei für ihn vorher unvorstellbar gewesen.
"Mülleimer für den Frust"
Zusammen mit seinem evangelischen Kollegen und Pastor Patrick Klein hat der 53-Jährige am vergangenen Wochenende die Polizeiseelsorge beim Gipfel koordiniert. Insgesamt waren in der Spitze 50 Seelsorger im Einsatz, wie er berichtet. Tag und Nacht. Und immer wieder kommt es in ihm hoch. Die Gewalt vonseiten der Demonstranten habe das Maß des Erträglichen weit überschritten. "Das verrückt die Maßstäbe in ganz Deutschland", sagt Meiritz. Seine Stimme zittert dabei.
Jetzt gehe es in allererster Linie darum, "dass wir uns selbst erst mal schütteln". Es sei gut, dass die Seelsorger aus dem übrigen Bundesgebiet schon auf der Rückfahrt bei ihren Polizeikollegen sein konnten. Denn die eigentliche Arbeit fange jetzt erst an. In den kommenden Tagen und Wochen müssten die Einsatzkräfte das Erlebte zu verarbeiten versuchen. Dabei seien die Seelsorger behilflich, so gut es eben geht.
Das Wichtigste dabei: Zuhören, wenn die Polizisten vom Erlebten erzählen. Die Berichte "aushalten", nennt Meiritz das. "Klappe halten" könne manchmal auch eine gute Form der Seelsorge sein. So sei es auch draußen auf der Straße an den vergangenen Tagen gewesen. Mit wie vielen Kollegen er dort gesprochen hat, weiß der ehemalige Polizist nicht. Für "Unzählige" sei er vor allem "Mülleimer für ihren Frust" gewesen.
Natürlich würden jetzt auch Polizeipsychologen bei der Arbeit hinzugezogen, so Meiritz. Und es gelte, Maßnahmen und Strategien zu entwickeln, wie Polizei und Polizeiseelsorger künftig mit solchen Vorkommnissen umgehen sollen.
„Da reden Blinde von der Farbe.“
Scharfe Kritik übt er "an einigen Kirchenvertretern", wie er sie nennt. Insbesondere jene Pastoren sind ihm ein Dorn im Auge, die Demonstranten als Camper in ihre Kirchhöfe gelassen hätten. "Mit der Begründung, das seien Gäste - und Gäste heiße man willkommen", ereifert sich der Seelsorger: "Da reden Blinde von der Farbe." Und er verweist auf Molotow-Flaschen und andere Wurfgeschosse, die einige dieser "Gäste" im Gepäck gehabt hätten.
Tatsächlich findet Meiritz in all dem Frust und Ärger auch noch eine positive Seite an den Tagen der Gewalt. Diese hätten "hoffentlich" etwas bewirkt in der Bevölkerung. Die sehe die Polizei derzeit mit anderen Augen. Gefreut hat er sich über die "Welle der Solidarität" der Hamburger Bürger. Und er hofft, dass das nicht nur eine Momentaufnahme ist.
157 Überstunden in wenigen Tagen
Nach 157 Überstunden in den letzten Tagen braucht Meiritz jetzt eigentlich Schlaf. Aber es wartet viel Arbeit für den Seelsorger und früheren Polizisten. Arbeit in seiner Gemeinde, wie er das nennt - bei der Polizei Hamburg.