Erstmals Erbgut eines Embryos verändert
Erstmals haben Wissenschaftler das Erbgut eines menschlichen Embryos mit der sogenannten "Genschere" verändert. In einem Aufsatz in Fachzeitschrift "Nature" berichtet das internationale Forscherteam, wie es defektes Erbgut, das für eine erbliche Herzkrankheit verantwortlich ist, mit der Methode "CRISPR/Cas9" durch einen fehlerfreien DNS-Abschnitt ersetzt hat.
Dazu wurden Eizellen gesunder Frauen mit Spermien eines Mannes mit dem entsprechenden Gendefekt befruchtet und die entstehenden Embryonen mit der "Genschere" CRISPR/Cas9 bearbeitet. Bei ähnlichen Experimenten waren die Embryonen anschließend nicht überlebensfähig. Nun sei es erstmals gelungen, Embryonen im Einzellstadium zu manipulieren und lebensfähig zu halten; im beschriebenen Experiment wurden sie jedoch getötet, anstatt sie einer Frau einzupflanzen.
Ohne Eingriff sei bei der Hälfte der so entstehenden Embryonen der Gendefekt zu erwarten. Durch den Eingriff gelang es, den Anteil an Embryonen ohne diesen Gendefekt auf 72 Prozent zu erhöhen; eine weitere Erhöhung des Anteils wird angestrebt. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass eine derartige Genom-Editierung "Potential für die zielgerichtete Korrektur von Keimbahnmutationen" habe.
Weiterhin fallen "überzählige" Embryonen an
Das deutsche "Ärzteblatt" sieht zunächst bloß einen Erfolg für die Grundlagenforschung: "Für die klinische Medizin ist es jedoch nur ein kleiner Fortschritt", da nach aktuellem Stand der Wissenschaft weiterhin Präimplantationsdiagnostik nötig sei, um einen gendefektfreien Embryo einzusetzen: Mit der vorgestellten Methode könne nur die Zahl der Embryonen reduziert werden, die benötigt werden, um einen "Kandidaten für die Implantation" zu finden. "Überzählige" und von einem Gendefekt betroffene Embryonen würden weiterhin anfallen.
Bei Ethikern stößt das Experiment überwiegend auf Kritik. Die Vorsitzende des Europäischen Ethikrats (EGE), Christiane Woopen, spricht von einem "eindrucksvollen Beispiel für gesellschaftsvergessene Forschung und die Isolation eines Forschungssystems von der Gesellschaft, in die es eigentlich eingebettet ist." Sie fordert eine intensive gesellschaftliche Diskussion, bevor durch einzelne Wissenschaftler Tatsachen geschaffen werden. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock spricht von "unseriösen Heilsversprechungen" und kritisiert, dass Wissenschaftler anscheinend "keine Grenze mehr kennen": "Sie scheinen bereit zu sein, schwerste Gesundheitsrisiken für spätere Menschen in Kauf zu nehmen." Dagegen sagte die Göttinger Medizinethikerin Claudia Wiesemann, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates ist, dass die Technik unter Umständen praktikabel sein könne. Es müsse allerdings der Einzelfall beachtet werden.
Kirche gegen Eingriffe in die Keimbahn
Die Experimente wurden an der Oregon Health & Science University in Portland (USA) durchgeführt. Auch in China, Schweden und Großbritannien wird an Embryonen geforscht, bisher allerdings ohne vergleichbare Erfolge. In Deutschland ist Forschung an menschlichen Embryonen verboten. In einer im März 2017 veröffentlichten Stellungnahme fordern allerdings elf Wissenschaftler der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina eine Lockerung des Embryonenschutzgesetzes, um Grundlagenforschung zu ermöglichen. Eingriffe in die Keimbahn, die dann auch weitervererbt werden können, lehnen auch diese Forscher "beim derzeitigen Stand der Forschung" ab.
Aus Sicht der katholischen Kirche sind Eingriffe in die Keimbahn nicht zulässig. Anlässlich der Freigabe der Forschung an menschlichen Embryonen in Großbritannien betonte im vergangenen Jahr der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst, dass es sich bei verbrauchender Embryonenforschung um die Tötung menschlichen Lebens handle. "Auch der künftige Anwendungsbereich, die In-vitro-Fertilisation, hat die Selektion und Verwerfung menschlicher Embryonen zur Folge", sagte Fürst, der Vorsitzender der Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz ist. Veränderungen der Keimbahn lehne die Kirche als "Instrumentalisierung und Verletzung der Menschenwürde" ab. "Wir verweisen auch auf die verhängnisvollen Auswirkungen, die eine eugenische Mentalität, ja bereits die Verhinderung genetisch bedingter Krankheiten, auf das Gemeinwohl hätte. Sie führen zu einem indirekten sozialen Stigma gegenüber jenen, die mit schweren Krankheiten leben müssen oder die keine besonders geschätzten Begabungen haben", so Fürst weiter. (fxn)