Private Online-Datenbanken sind für Recherchen über christliche Themen unabdingbar

Sie sammeln das Wissen der Weltkirche

Veröffentlicht am 08.08.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Wissen

Bonn ‐ Ob über Heilige, das Kirchenrecht oder die Bischöfe der Weltkirche: Im Netz kann sich der Gläubige bequem und umfassend informieren. Katholisch.de stellt drei private Portale und ihre Macher vor.

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Heilige, Kirchenrecht und die Bischöfe der Welt: Wer darüber etwas erfahren will, kann in Bibliotheken gehen. Das Kirchenrecht, das päpstliche Jahrbuch, Heiligenkalender und biographische Lexika: All das gibt es meterweise im Regal in dicken, in Leinen gebundenen Bänden.

Viel einfacher ist es, online nachzuschlagen. Die besten Anlaufstellen dafür sind aber keine offiziellen Seiten auf vatikanischen Servern – sondern private Projekte. Fast jeden erdenklichen Heiligen findet man beim ökumenischen Heiligenlexikon, codex-iuris-canonici.de erschließt das Kirchenrecht, und jeder einzelne Bischof, jede einzelne Diözese ist auf catholic-hierarchy.org aufgelistet.

Was diese Seiten gemeinsam haben: Optisch strahlen sie alle den Charme des frühen Internets aus – und sie werden von engagierten Einzelnen seit eben dieser Frühzeit betreut. Ohne offiziellen Auftrag, aber mit viel Herzblut.

Zehn Tage jünger als Google

Im deutschen Sprachraum ist das ökumenische Heiligenlexikon die wohl bekannteste Anlaufstelle für alle, die sich für Gedenktage und Biographien großer Christen interessieren. Ein sehr katholisches Thema, könnte man denken. Doch dahinter steckt ein evangelischer Pfarrer im Ruhestand. Wenn man Joachim Schäfer fragt, wie er als Protestant zu einem scheinbar so katholischen Thema gekommen ist, dann lacht er: "Wie die Jungfrau zum Kind", sagt er am Telefon. An Erntedank wollte er über den heiligen Franziskus predigen und hat nach Informationen gesucht. Gefunden hat er verschiedene Gedenktage, und die Recherche nach dem richtigen Gedenktag hat ihn nicht mehr losgelassen – und er begann Heilige zu sammeln. Das Internet kam da gerade recht: Sein Pfarrbüro hatte frisch einen Anschluss, er wollte sich mit dem neuen Instrument vertraut machen, und so wurde Schäfer zum christlichen Internetpionier: "Im Spaß sage ich immer: Ich bin mit dem Heiligenlexikon zehn Tage jünger als Google." Der Suchmaschinengigant wurde am 4. September 1998 gegründet, das Heiligenlexikon ging am 14. September 1998 online.

Die meisten Besucher der Seite kommen aus dem deutschsprachigen Bereich. Im Winter, wenn bekannte Heilige wie Martin, Barbara und Nikolaus im Kalender stehen, kommen gut 10.000 Besucher am Tag auf seine Seite, im Sommer immer noch 5.000. Aus der Anfangszeit erzählt Schäfer eine interessante Beobachtung: In den 90ern, nach der Wende, gab es überdurchschnittlich viele Besuche aus den neuen Bundesländern. "Vielleicht wollten sie sich auf eine vorsichtige Art über das Christentum informieren", vermutet Schäfer.

Hunderte Helfer

Seither ist das Heiligenlexikon enorm gewachsen: 6.000 Biographien sind online, viele davon mit Fotos, über 60.000 Kalendereinträge haben er und einige Helfer zusammengetragen. Etwa zehn Beiträger gehören zum engeren Kreis, aber mit kleineren Korrekturen und Beiträgen geht die Anzahl der Mitwirkenden mittlerweile in die hunderte.

Bild: ©KNA/Alain Pinoges

Wer Informationen über Heilige wie Jean-Baptiste Marie Vianney, den "Pfarrer von Ars", sucht, wird im ökumenischen Heiligenlexikon fündig.

Für Schäfer ist das Heiligenlexikon nun, im Ruhestand, seine Hauptbeschäftigung. Wenn er nicht schreibt – "täglich von acht bis eins und von zwei bis sechs", erzählt der Schwabe –, dann reist er. Zuletzt war er ein halbes Jahr in Italien, acht Wochen davon in Rom. Er besucht die Wirkungsstätten der Heiligen, ihre Geburts- und Sterbeorte, fotografiert und sammelt Informationen.

Und wie geht es weiter, wenn Schäfer sich einmal nicht mehr um das Projekt kümmern kann? Hat er sich dazu schon Gedanken gemacht? "Dran gedacht: ja. Ergebnis: nein", lautet seine knappe Auskunft.

Kirchenrechtlicher Online-Pionier

Württemberg scheint ein gutes Pflaster für christliche Online-Tüftler zu sein: Auf den Anruf beim – evangelischen – Stuttgarter Pfarrer folgt ein Anruf im – katholischen – Rottenburger Ordinariat. Das Rechtsportal der Diözese ist in Kirchenrechtskreisen sehr geschätzt: 2002 entschied die Diözese, statt einer Loseblattsammlung das diözesane Recht im Netz zu sammeln und zur Verfügung zu stellen. Vieles, was anderswo nur im gedruckten kirchlichen Amtsblatt zu finden ist, ist hier einfach online zu finden.

Verantwortlich dafür ist der habilitierte Kirchenrechtler Stefan Ihli. Auch in seiner Freizeit pflegt er kirchliches Recht: Schon bevor es die offizielle Rechtssammlung der Diözese online gab, stellte er das Recht der Weltkirche ins Netz. Als Theologiestudent Ende der 90er nutzte er gern die ersten digitalen Bibeln auf CD-ROM und ihre komfortable Volltextsuche. "Das wäre doch geschickt, so etwas auch fürs Kirchenrecht zu haben", dachte er sich. "Aber das gab es nicht, weder online noch offline, und dann habe ich es eben selber gemacht."

Rechtliche Grauzone, aber mit Segen aus der Kurie

Zunutze machte er sich dabei eine rechtliche Grauzone: Laut Urheberrechtsgesetz genießen amtliche Werke wie Gesetze keinen rechtlichen Schutz. Damit sind zwar eigentlich weltliche Gesetze gemeint, aber warum sollte es die Kirche nicht ähnlich handhaben? Zur Sicherheit fragte er noch beim Verband der deutschen Diözesen nach, der für die deutsche Übersetzung des kirchlichen Gesetzbuchs verantwortlich ist. "Die meinten: Ich soll mal machen, aber ich habe weder ein klares Ja noch ein klares Nein von ihnen gehört" – und so machte Ihli codex-iuris-canonici.de: das aktuelle Kirchenrecht in Deutsch und Lateinisch, den alten Codex von 1917 und den Codex der Ostkirchen auf Latein, dazu die Verfahrensordnung für Ehenichtigkeitsverfahren und die umfangreiche Kurienreform Johannes Pauls II.

Auch wenn der Vatikan all diese Dokumente ebenfalls auf seinen Webseiten zur Verfügung stellt: Bei Ihli gibt es – zumindest für das aktuelle Kirchenrecht – eine bequeme Volltextsuche, die die 1752 Canones des Kirchenrechts erschließt. Auch wenn er immer noch keine offizielle Erlaubnis hat: Die Kleruskongregation verweist auf Ihlis Seite. "Das interpretiere ich dann als offizielle Duldung aus dem Vatikan", sagt der Kirchenrechtler.

Bild: ©KNA

Der Codex Iuris Canonici (CIC), das Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts: Mit der Volltextsuche im Internet dürfte man schneller zur gewünschten Stelle gelangen, als beim Durchblättern der gedruckten Ausgabe.

Viel Arbeit kostet die Seite nicht, jetzt, wo die wesentlichen Texte erschlossen sind. Nur Änderungen muss Ihli noch gelegentlich einarbeiten, aber die sind im Kirchenrecht eher selten, auch wenn Benedikt XVI. und Franziskus "ein bisschen Dynamik" in den Codex gebracht haben: "Es ist für uns Kirchenrechtler ganz ungewohnt, wie oft der CIC neuerdings geändert wird", schmunzelt Ihli.

Am Puls der Weltkirche

Viel dynamischer ist das Steckenpferd von David M. Cheney (nicht verwandt mit dem Ex-US-Vizepräsidenten, stellt er auf seiner Homepage klar). Cheney sammelt Bischöfe. Auch er hat in den 90ern angefangen. Am Anfang, als noch nicht alle Bistümer Webseiten hatten, wollte er nur die wichtigsten Informationen über die Bistümer von Texas zusammenstellen. Nach einem Umzug in den mittleren Westen erweiterte er seine Sammlung auf die ganzen USA, aus einer einfachen Liste wurde eine Datenbank, die seit 2002 unter der Adresse catholic-hierarchy.org zu finden ist.

Der Name verpflichtet, und so deckt seine Datenbank nun die ganze Weltkirche ab. "Das Webdesign ist nicht sonderlich aktuell", sagt er über seine Seite – ansonsten ist er aber am Puls der Weltkirche. Jeden Tag liest Cheney den "Bollettino", das tägliche Pressebriefing aus dem Vatikan, in dem neue Bischöfe verkündet werden, und gibt die Änderungen in seine Datenbank ein. Wenn er dann noch Zeit hat – für ihn ist das alles ein Hobby neben seinem Beruf –, arbeitet er historische Informationen ein. Die neueste Funktion: Geolokation – Geburts-, Weihe- und Sterbeorte von Bischöfen sind in einer eigenen Datenbank, die bald auch durchsucht werden kann. Natürlich könnte man vieles auch im offiziellen Jahrbuch der Kurie nachlesen – aber so viele Details findet man sonst wohl nirgends: Wie viele Diözesen gibt es in Papua-Neuguinea? (19) Wer ist der dienstälteste Bischof? (Athanase Bala, Emeritus von Bafia in Kamerun, geweiht am 26. September 1976.) Wie viele Titularbistümer sind vakant? (967) Wie viele Bischöfe hat die "St.-Patricks-Gesellschaft für auswärtige Missionen" hervorgebracht? (Einen, Patrick Joseph Whitney, Präfekt von Ogoja in Nigeria.) Ohne catholic-hierarchy.org, wo man das mit zwei, drei Klicks herausfinden kann, müsste man wohl stundenlang recherchieren.

Und das Angebot kommt an: Im Monat besuchen über 100.000 Menschen catholic-hierarchy.org, einige Tausend davon aus dem Vatikan. Immer wieder kontaktieren den Webmaster, der die Seite ganz allein betreut, Mitarbeiter der Kurie mit Hinweisen. Cheney macht auf seiner Seite sehr deutlich, dass catholic-hierarchy.org kein offizielles Angebot der Kirche ist. Aber wie so oft im Netz: Das lesen nicht alle. "Fast immer, wenn ein Bischof oder ein Kardinal etwas Unglückliches sagen, bekomme ich 'interessante' Mails, die eigentlich für sie gedacht sind", seufzt er. Die meisten Kontakte sind aber erfreulich: Korrekturen, Lob und Dank – oft sogar aus der Kurie.

Von Felix Neumann