"Ökumene des Hasses" in den USA?
Die Empörung des Theologen George Weigel in seinem jüngsten Kommentar für die Zeitschrift "First Things" ist überdeutlich. Die Autoren des "Civilta Cattolica"-Artikels über eine "Ökumene des Hasses" in den USA wüssten nicht, wovon sie reden, so Weigel. Die Papst-Vertrauten Antonio Spadaro und Marcelo Figueroa hätten Franziskus mit ihrer "surrealen Darstellung" des US-amerikanischen Katholizismus und des evangelikalen Protestantismus des 21. Jahrhunderts keinen Gefallen getan. Das Ergebnis, so Weigel, sei ein "intellektueller Abfallcontainer".
Da die Artikel in der renommierten Jesuitenzeitschrift "Civilta Cattolica" vom vatikanischen Staatssekretariat gegengelesen werden, stelle sich "die irritierende Frage nach der Kompetenz" - auch der des Staatssekretariats. Weigel gilt unter den konservativen Katholiken in den USA seit Jahrzehnten als Vordenker.
Dem Artikel fehlt es nicht an Schärfe
Spadaro, Chefredakteur der "Civilta Cattolica", und der protestantische Theologe Figueroa hatten es ihrerseits in ihrem bereits am 13. Juli erschienenen und seither in mehrere Sprachen übersetzten Grundsatzartikel nicht an Schärfe fehlen lassen. "Katholische Integralisten" und evangelische Fundamentalisten teilten denselben "politischen Manichäismus", der die Welt in Schwarz und Weiß aufteile. Sie seien in ihrer Weltsicht "nicht sehr viel anders" als Dschihadisten, polemisierten sie.
Hart gehen die Papst-Vertrauten mit Donald Trumps Chefstrategen Stephen Bannon ins Gericht, einem Rechtskatholiken, dem von Journalisten wegen einer kurzen Begegnung in Rom "enge Kontakte" zum konservativen Kardinal Raymond L. Burke nachgesagt werden. Bannon vertrete eine "apokalyptische Geopolitik", deren Kennzeichen Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie sowie die Blockade von Schritten gegen den Klimawandel seien. Während Papst Franziskus versuche, Brücken zu bauen, thematisierten Rechtskatholiken und Evangelikale weiterhin Abtreibung, gleichgeschlechtliche Partnerschaften und religiöse Erziehung. Eine solche "Ökumene des Konflikts" habe nichts mit der Ökumene zu tun, die Franziskus im Sinn habe.
Der katholische Theologe Massimo Faggioli von der katholischen Villanova University in Pennsylvania versteht die Analyse von "Civilta Cattolica" als historischen Beitrag, "der besonders wichtig ist, um das Verhältnis zwischen dem Vatikan unter Franziskus, den Vereinigten Staaten und dem amerikanischen Katholizismus zu verstehen." Dieser habe sich sehr unterschiedlich vom Katholizismus in Europa und Lateinamerika entwickelt. Wie sehr, das lässt sich an der Reaktion des konservativen Erzbischofs von Philadelphia, Charles Chaput, ablesen. Chaput kanzelt die Franziskus-Vertrauten als "nützliche Idioten" ab. Ihr Artikel repräsentiere eine grobe Vereinfachung, "die das katholisch-evangelikale Zusammenwirken bei der Religionsfreiheit und anderen Schlüsselthemen nur ungenügend abbildet".
Welche Rolle spielen die US-Bischöfe?
Michael Sean Winters vom "National Catholic Reporter" deutet den Aufschrei der Kritisierten hingegen als das Bellen getretener Hunde. "Endlich hat jemand mit Autorität anerkannt, dass diese Verbindung zwischen konservativen Katholiken und Evangelikalen immer schon mehr mit Politik als mit Religion zu tun hatte." Nicht unbemerkt blieb in der US-Kirche auch die auf einer katholischen Webseite geübte und von Spadaro weiter getwitterte Kritik an den US-Bischöfen. "Warum haben die Bischöfe nicht längst etwas zu diesem heiklen und entscheidenden Thema gesagt?", hinterfragt "Il Sismografo" deren Rolle während der Trump-Präsidentschaft.
John Allen, ein erfahrener Kenner des Vatikan und der US-Bischofskonferenz, findet den Beitrag der "Civilta Cattolica" zu undifferenziert, verurteilt ihn aber nicht in Bausch und Bogen. Er weist vor allem auf die diplomatischen Verwicklungen hin, die sich daraus ergeben und betont, es sei alles andere als alltäglich, dass ein quasi offizielles Organ des Vatikan die Politik eines anderen Landes kommentiere.