Liborius Lumma über sein Konzept für ein neues Verfahren

Wie ein Theologe die Bischofswahl reformieren will

Veröffentlicht am 25.08.2017 um 13:26 Uhr – Lesedauer: 
Insignien des Bischofs
Bild: © KNA
Kirche

Innsbruck ‐ In Innsbruck sucht man schon seit fast zwei Jahren einen neuen Bischof. Liturgiewissenschaftler Liborius Lumma stört die lange Wartezeit. Darum schlägt er ein neues Wahlverfahren für Bischöfe vor.

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In den deutschen Bistümern läuft manches anders als im Rest der Weltkirche. So auch die Bischofswahl: Nach den in Deutschland gültigen Konkordaten liegt das letzte Wort beim jeweiligen Domkapitel. Für Liborius Lumma ist das ein guter Anfang. In einem Blogbeitrag hat der Innsbrucker Liturgiewissenschaftler ein neues Verfahren für die Bischofswahl vorgeschlagen.

Lummas Konzept gliedert sich in fünf Schritte: Zunächst wird das Bistum von den Nachbarbischöfen besucht, um die Erfordernisse vor Ort zu erkunden. Anschließend erstellen die Bischofskonferenz oder die Bischöfe der Kirchenprovinz eine Kandidatenliste. Diese wird dem Papst vorgelegt, der wiederum drei Kandidaten davon auswählt. In einem vierten Schritt wird die Liste veröffentlicht. Und schließlich wählt ein Gremium im Bistum – etwa der Priesterrat oder eine Diözesansynode – den neuen Bischof.

Im Interview mit katholisch.de erklärt Lumma, wie er zu diesem Vorschlag kam und was ihm dabei besonders wichtig ist.

Frage: Herr Lumma, in Ihrem Artikel schlagen Sie eine neue Regelung für die Wahl von Bischöfen vor. Was hat Sie dazu veranlasst?

Lumma: Es gab dafür keinen konkreten Anlass, auch wenn das Bistum Innsbruck natürlich irgendwie im Hintergrund steht. Ich interessiere mich schon länger für die Methodik von Wahl- und Entscheidungsverfahren, nicht nur in der Kirche. Vor ein paar Tagen hatte ich die Zeit, meine Ideen in die Form eines kleinen Online-Artikels zu gießen. Dass ich damit auch Interesse in Deutschland wecken würde, obwohl sich auf der Website ansonsten eher amerikanische Liturgieinteressierte tummeln, hatte ich gar nicht erwartet.

Frage: Was ist die wichtigste Änderung bei Ihrem Vorschlag für die Bischofswahlen?

Lumma: Das Wichtigste ist mir, ein Verfahren zu skizzieren, in dem drei Instanzen zusammenspielen: erstens die Ortskirche, die als Gemeinschaft von Getauften und Trägerin des Heiligen Geistes an der Auswahl ihres Bischofs beteiligt werden sollte. Und zwar auf nachvollziehbare und transparente Weise. Zweitens die Bischofskonferenz und die Nachbarbischöfe. Man kann annehmen, dass sie am besten mit der Situation vor Ort vertraut sind, dabei aber zugleich einen Blick von außen haben und somit die Ortskirche gut beraten können. Und drittens natürlich der Papst als Garant der kirchlichen Einheit, ohne dessen Zustimmung kein Bischof ernannt werden darf. Er muss deswegen aber keineswegs alles alleine entscheiden – das hat Papst Franziskus etwa in "Evangelii gaudium" selbst deutlich gemacht hat. Bei allen konkreten Verfahrensvorschlägen – die auch andere schon in ähnlicher Form vorgebracht haben – muss man ohnehin immer Anpassungsmöglichkeiten im Blick haben: Denken Sie nur an die Unterschiede zwischen der westlichen Welt und jenen Regionen, wo die Kirche unter staatlicher Repression leidet oder sich, aus welchen Gründen auch immer, nur schwer organisieren und entfalten kann.

Liborius Lumma lehrt als Privatdozent am Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie an der Universität Innsbruck.
Bild: ©privat

Liborius Lumma lehrt als Privatdozent am Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie an der Universität Innsbruck.

Frage: In der Bundesrepublik Deutschland gibt es Dank der geltenden Konkordate bereits sehr ähnliche Regelungen. Haben Sie sich diese als Vorbild genommen?

Lumma: Die deutschen Konkordatsbestimmungen sind mir einigermaßen bekannt – ich habe meine ersten 30 Lebensjahre im Erzbistum Paderborn verbracht –, aber sie waren kein bewusstes Vorbild für meine Überlegungen. Eher habe ich das einfließen lassen, was ich allgemein über Wahl- und Entscheidungsverfahren denke, auch in anderen christlichen Kirchen.

Frage: In Ihrem Vorschlag gehen Sie explizit auf den Päpstlichen Nuntius ein, der im Prozess der Bischofswahl keine Rolle spielen sollte. Warum halten Sie das für so problematisch?

Lumma: Vorweg: Ich habe keinen persönlichen Groll gegen irgendeinen Nuntius. Der derzeitige österreichische Nuntius scheint übrigens, soweit ich das mitbekomme, bei Bischofsernennungen eine sehr hilfreiche Rolle zu spielen. Meine Einwände sind eher grundsätzlicher Art: Ein Nuntius ist zuallererst ein staatlicher Diplomat, er vermittelt also zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bundesrepublik Deutschland oder der Republik Österreich. Die Kommunikation zwischen dem Bischof von Rom und den Ortskirchen ist aber etwas völlig anderes als die Kommunikation zwischen Staaten. Ich sehe daher bei der Auswahl von Bischöfen keinen sinnvollen Platz für das Amt des Nuntius. Als Zwischenebene zwischen Bistum und Papst gibt es bereits die Bischofskonferenz, die das antike Instrument der regionalen Bischofssynode, die im ersten Jahrtausend eine äußerst wichtige Rolle spielte, in gewisser Weise fortführt. Und diese Funktion sollte gestärkt werden.

Frage: Welche Rolle sollten die Laien im Prozess der Bischofswahl einnehmen?

Lumma: Alle Glieder der Kirche sind durch ihre Taufe und Firmung Träger des Heiligen Geistes. Ich sehe daher keinen Grund, warum Laien aus zentralen kirchlichen Entscheidungen strukturell ausgeschlossen sein müssen, zumal wenn sie unmittelbar betroffen sind. Die katholische Kirche könnte von den Erfahrungen der Orthodoxie, der Anglikaner oder anderer Kirchen profitieren. Dort sind "Wahlsynoden" beispielsweise zur Hälfte aus Priestern – gewählt von den Priestern – und Laien – gewählt von den Laien – besetzt, oder zu je einem Drittel aus Priestern, Mönchen und Laien. Welches konkrete Modell für ein katholisches Bistum das beste wäre, kann man aber vermutlich nicht weltweit einheitlich festlegen.

Linktipp: Schwierige Wahl

Eine Bischofswahl ist kompliziert. Und in Deutschland ist sie noch einmal etwas komplizierter als in der restlichen katholischen Welt. Schuld daran sind die verschiedenen Staatskirchenverträge. Durch sie wählt nicht einmal jede deutsche Diözese gleich. (Artikel von März 2014)

Frage: In Deutschland hat es in den vergangenen Jahren auch längere Auswahlprozesse gegeben, wie Sie es nun in Innsbruck erleben. In Limburg etwa mussten zunächst andere Fragen geklärt werden. Wie würde Ihr Vorschlag mit solchen Situationen umgehen?

Lumma: Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen, das gilt auch in der Kirche. In jedem transparenten Verfahren muss es möglich sein, dass man zu der Erkenntnis kommt: Wir sind noch nicht so weit; ehe wir eine langfristige Personalentscheidung treffen können, müssen erst ganz andere Dinge angegangen werden. Nach dem von mir skizzierten Modell würde sich diese Einsicht vermutlich gleich bei der Visitation durch die Nachbarbischöfe ergeben. Aber auch der Papst oder das Bistum selbst könnten ja jederzeit die Stopptaste drücken.

Frage: Nun warten Sie immer noch auf einen neuen Bischof in Innsbruck. Was würden Sie den Entscheidern mitgeben, wenn die Suche bereits nach Ihrem Vorschlag liefe?

Lumma: Unabhängig von jedem Verfahren erhoffe ich mir von allen, die einen Bischof auszuwählen haben, dass sie ohne fertige Meinungen an das Verfahren herangehen, schon gar nicht mit nur einem einzigen Wunschkandidaten im Hinterkopf. Alle sollten offen für Überraschungen sein, die sich im Dialog mit anderen oder im persönlichen Nachdenken, Reflektieren und im Gebet ergeben können.

Von Kilian Martin