Wie wird man Schutzpatron?
Den meisten Katholiken ist bekannt, dass einige Heilige oder Selige Patrone für bestimmte Gelegenheiten oder (Berufs-)Gruppen sind: Der heilige Antonius wird angerufen, wenn man etwas verlegt hat, Kirchenchöre sind im Cäcilienverband und Feuerwehrleute kennen Florian als ihren Schutzpatron ebenso wie Schützenvereine Hubertus oder Sebastian. All diese Heiligen sind für die Gläubigen himmlische Anwälte, die ihre Bitten zu Gott tragen.
Aber was ist mit den neuen Heiligen? Wie werden die zu Schutzpatronen? Seit dem vergangenen Jahr etwa ist Mutter Teresa (1910-1997) heilig – eine Patronin ist sie aber erst seit einer Woche: An ihrem ersten Gedenktag ernannte das Erzbistum Kalkutta sie zur zweiten Schutzpatronin der Erzdiözese. Wenige Tage später erklärte der Vatikan Johannes XXIII. (1881-1963) zum "Fürsprecher der italienischen Streitkräfte bei Gott" – der Papst wurde 2014 heiliggesprochen.
Johannes XXIII. als Patron der Krieger?
Bei Teresa von Kalkutta war die Sache schnell klar: Die westindische Millionenstadt war der Ort, an dem die Ordensfrau sich den Ärmsten auf der Straße zuwendete. Papst Franziskus habe die Entscheidung der Erzdiözese Kalkutta gebilligt und das Co-Patronat Mutter Teresas somit ermöglicht, berichtete ein Diözesanpriester. Aber was hat der friedfertige Konzilspapst mit der italienischen Armee zu tun? Als "respektlos" und "absurd" verurteilte Pax Christi Italien die Entscheidung. Angelo Roncalli, wie der Papst zuvor hieß, habe in seinen ersten Priesterjahren christliche Tugenden unter den Soldaten verbreitet, heißt es im vatikanischen Dekret. Roncalli war im Ersten Weltkrieg erst Sanitätssoldat und dann Militärkaplan. Außerdem er sich als Johannes XXIII. mit seiner Enzyklika "Pacem in terris" für den Frieden in der Welt eingesetzt, heißt es in der Urkunde.
Linktipp: Johannes XXIII. wird Patron für Italiens Soldaten
Der Vatikan hat den Papst, der die Friedensenzyklika "Pacem in terris" schrieb, zum Fürsprecher der italienischen Armee bei Gott erklärt. Die Streitkräfte hatten darum gebeten. Kritik gab es offenbar kaum.Bald nach der Heiligsprechung hatte die italienische Armee das Schutzpatronat bei der zuständigen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramente beantragt. Das sei der übliche Weg, bestätigt der Theologe Manfred Becker-Huberti, der die Heiligenverehrung insbesondere im Rheinland erforscht hat. Jeder könne dem Vatikan Vorschläge zu Patronaten machen, sowohl ein Bistum als auch Privatpersonen. Sie werden dann von der Gottesdienstkongregation geprüft, die zusammen mit der Heiligsprechungskongregation 1969 aus der Ritenkongregation hervorgegangen war.
Voraussetzung dafür, dass jemand Schutzpatron wird, ist laut Becker-Huberti eine Heilig- oder Seligsprechung. Sinnvoll seien als Ortspatronate die Regionen, in denen die Heiligen wirkten. Ein mögliches Berufspatronat könne sich an Tätigkeiten oder Gegenständen ausrichten, die mit den Heiligen zu tun hatten. Dem Brauchtumsforscher fällt es schwer, Johannes XXIII. als Patron für aggressive Krieger zu sehen, aber in dem Sinne von Abwehr des Kriegs und Bewahrung des Friedens kann er sich das neue Patronat durchaus vorstellen.
Ursprung im antiken Rom
Becker-Huberti berichtet, dass hinter dem Schutzpatronat eine alte Tradition steht. Im antiken Römischen Reich wählten sich mittel- oder glücklose Römer einen Schutzherren, den sie ehrten und für den sie Botengänge erledigten. Der Patron nahm im Gegenzug seine Klienten "unter seinen Mantel" und half ihnen in ihren Nöten, sei es finanzieller Art oder etwa vor Gericht. Dieses Verhältnis wurde zum Vorbild für die schützende Beziehung, die Christen zu ihren Schutzpatronen aufbauten. Dieser war stets derjenige Heilige, der die Gebete eines bestimmten Gläubigen "erhörte". Erst ab dem Mittelalter wandelte sich die Wahrnehmung zu der, wie wir sie heute kennen: Bestimmte Heilige wurden fortan als Experten für bestimmte Fälle betrachtet.
"Viele Patronate haben sich aus der Lebensbeschreibung oder der Leidensgeschichte der jeweiligen Person ergeben", schreibt der Historiker Hans-Joachim Kracht in seinem Buch "Der große Namenstagskalender". Manche Patronate ließen sich aber auch aus den ikonographischen Attributen erklären. Zum Bespiel wird der Einsiedler Antonius der Große oft mit Schweinen dargestellt – die für den Teufel stehen – und das machte ihn zum Patron der Bauern, Haustiere und Schweinehirten. Florian, der Amtsvorsteher des römischen Statthalters, wurde mit einem Stein am Hals ertränkt. Wegen der Wasserthematik – er wird meist mit dem Floriansbrunnen gezeigt – wurde er Patron gegen Feuergefahren und somit auch der Feuerwehrleute.
Zum Teil bestimmte auch der Klang des Namens eines Heiligen sein Patronat: Aus Valentin hörte man im deutschsprachigen Raum ein "fall-net-hin" heraus und so wurde er hier zum Schutzpatron der Epileptiker. Und Donatus? Er war ein Katakombenheiliger, dessen Namen man nicht kannte. So sagten die Jesuiten auf Latein "der Geschenkte". Das Volk hörten eher den Donner aus den Buchstaben und als am Tag der Überführung der Reliquie ein Blitz einen Priester traf, aber nicht tötete, hatte Donatus seinen Ruf als Wetterheiliger weg.
Zuständigkeiten variieren je nach Region
Manchmal ließe heute allerdings nicht mehr zu deuten, weshalb ein Heiliger zum Schutzherrn gerade dieser oder jener Personengruppe erwählt wurde, oder warum eine Heilige gerade bei einem bestimmten Anliegen angerufen wird, so Kracht. Die Patronate, die Handwerksgruppen betreffen, lassen sich teilweise bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Der Historiker weist auch auf regionale Unterschiede hin: Nicht überall auf der Welt würden die Heiligen für dieselben Anliegen bemüht; auch hätten die gleichen Handwerksgruppen je nach Region nicht die gleichen Patrone.
Für Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti ist klar, warum: "So wie Erntedank nicht überall auf der Welt an einem Termin gefeiert werden kann, haben unterschiedliche kulturelle Kreise auch einen unterschiedlichen Bedarf an die Fürsprechfunktion der Heiligen". Während Antonius von Padua hierzulande als "Schlampertoni" der Patron der verlorenen Dinge ist, wird er im spanischen Sprachraum eher angerufen, um einen Ehepartner zu finden.
Hinzu käme, dass manche Patronate in Vergessenheit gerieten und andere wiederum hinzukommen, schlägt Becker-Huberti den Bogen zur Gegenwart. So wartet die katholische Welt immer noch auf einen Patron des Internets. Bereits im Jahr 2000 suchte die Kirche nach einem entsprechenden Schutzheiligen, als sie ihren ersten Text über das Netz verfasste. Bekanntgegeben wurde bislang noch niemand, auch wenn einige Namen kursieren, wie etwa Isidor von Sevilla oder die heilige Thekla.
„Ob ein Patronat offiziell ist oder nicht hindert, Gläubige nicht daran, um Fürsprache zu bitten“
Dass Johannes XXIII. einzig und allein ein Patron der Soldaten der Soldaten bleibt, erscheint Becker-Huberti unwahrscheinlich. Und er könnte sich auch vorstellen, "dass Mutter Teresas Zuständigkeit auf Verlassene, auf die Ärmsten und auf die, die im Sterben liegen, ausgeweitet wird".
Aber so etwas dauere seine Zeit, sagt der Forscher. Er verweist auf Hildegard von Bingen, die erst mehr als 800 Jahre nach ihrem Tod Kirchenlehrerin wurde und bislang Patronin der Esperantisten, Sprachforscher und Naturwissenschaftler ist. "Ob ein Patronat offiziell ist oder nicht hindert, Gläubige nicht daran, um Fürsprache zu bitten", so der Theologe. Schließlich seien die Heiligen letztlich nur ein Fürsprecher, der sich an Gott wenden solle. "Man kann genauso gut jeden Heiligen anrufen wie man sich auch selbst direkt an Gott wenden kann."