Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann sieht "Jubiläumsblase" geplatzt

Historiker: Kirche hat Reformationsjubiläum "vergeigt"

Veröffentlicht am 15.09.2017 um 14:40 Uhr – Lesedauer: 
Theologie

Frankfurt ‐ Die "Jubiläumsblase" sei "geplatzt", resümiert Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann. Ganz und gar nicht einverstanden ist er mit der Rolle der Theologie beim Reformationsgedenken.

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Der Göttinger Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann hat der evangelischen Kirche in Deutschland Versagen bei der Gestaltung des Reformationsgedenkjahres vorgehalten. Die "Jubiläumsblase" mit ihren "phantastischen Zielen" und "übersteigerten Besuchererwartungen" sei geplatzt, schreibt Kaufmann am Freitag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). Das Jubiläum zum 500. Jahrestag der Reformation sei "vergeigt" worden.

Kaufmann: Akademische Theologie wurde ausgeschlossen

Frühere Reformationsjubiläen seien vor allem von Staatsakteuren und Theologieprofessoren bestimmt worden, so Kaufmann. Das 500-Jahr-Gedenken der Reformation aber sei erstmals maßgeblich von Kirchenfunktionären gestaltet worden; die akademische Theologie sei von der Planung und Konzipierung weitestgehend ausgeschlossen worden, kritisiert der evangelische Kirchenhistoriker. "Auch die christliche Religion ist vor Talibanisierungstendenzen nicht gefeit; sie bedarf permanent der kultivierenden Kraft theologischer Wissenschaft."

Als wesentliche Errungenschaft der Reformation bezeichnet der Kirchenhistoriker die dauerhafte Verbindung der Theologie mit der Universität. Die Religion werde durch wissenschaftliche Reflexion und Bildung diszipliniert und kultiviert; sie müsse sich in einer Welt erweiterter Wissenshorizonte und widerstreitender Wahrheitsansprüche immer neu behaupten. Während Priester vor der Reformation kaum theologische Bildung besessen hätten, sei es nach 1517 zur Ausbildung einer Funktionselite gekommen. Religiöse Schwärmer und selbsternannte Propheten seien in die Schranken verwiesen worden.

Deutsche Theologie weltweit führend

Die große Konkurrenz der Konfessionen in Deutschland hat dann nach den Worten Kaufmanns dazu geführt, dass "die wissenschaftliche Theologie beider Konfessionen in Deutschland weltweit führend wurde und es auf Dauer blieb". Heute sei dieses Modell "angesichts der machtvollen Rückkehr der Religion" dringender geboten denn je, sagte der Kirchenhistoriker mit Blick auf den Aufbau einer islamischen Theologie in Deutschland und ihr spannungsreiches Verhältnis zu den islamischen Verbänden. (KNA)