Ein freundlicher Hinweis an die Priester und Gemeinden

Weg mit dem Erntedankkorb!

Veröffentlicht am 30.09.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kommentar

Bonn ‐ Was hat der Korb mit den Trauben oder Kartoffeln heute noch am Altar zu suchen? Nichts, meint katholisch.de-Redakteur Björn Odendahl. Zum Erntedankfest plädiert er für eine radikale Modernisierung.

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Ein katholischer Gottesdienst ist immer auch Mysterium. Gott als dem "Ganz anderen" kann man sich in der Liturgie zwar nähern, vollständig begreifen wird man ihn aber wohl nie. Dennoch muss Kirche und auch der Gottesdienst die Gläubigen "dort abholen, wo sie sind", wie es Theologen gerne so blumig auszudrücken pflegen. Auf Deutsch heißt das: Die liturgischen Elemente, die sich verändern lassen, sollten möglichst auf die jeweilige Lebenswelt der Menschen zugeschnitten werden. Auf das Hier und Jetzt.

Am Sonntag feiern nun wieder viele Gemeinden das Erntedankfest. Der Grundgedanke dahinter ist gut. Man sollte ihn beibehalten, obwohl das Fest aufgrund fehlender "heilsgeschichtlicher Relevanz" schon jetzt nicht Teil des offiziellen Kirchenjahres ist. Auf der anderen Seite ergibt es aber nur wenig Sinn, es so zu feiern wie bisher: Was hat der Korb mit dem Brot, den Trauben oder Kartoffeln heute noch am Altar zu suchen? Was bedeutet es, wenn die Eucharistie an diesem Tag "als Dank für die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit" gefeiert wird?

Ja, bis zum Einsetzen der Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts lebte und arbeitete ein Großteil der deutschen Bevölkerung noch auf dem Land. Die Menschen waren Selbstversorger, denen die Worte "mähen" und "dreschen" noch etwas sagten. Sie wussten, was es bedeutet, wenn sich "die Spreu vom Weizen trennt" (Mt 3,12). Sie waren Gott dankbar, dass er sie bei ihrer Arbeit "im Schweiße ihres Angesichts" (Gen 3,19) nicht im Stich gelassen hat. Aus Dankbarkeit brachten sie deshalb einen Teil des Ertrags mit in den Gottesdienst und platzierten ihn am Tisch des Herrn. Die Ernte war notwendig, um zu überleben.

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Birnen und Äpfel, Karotten und Kürbisse, Nüsse und frisch gebackenes Brot – einmal im Jahr findet man diese leckeren Gaben an einem besonderen Ort: Am Altar in der Kirche.

Doch spätestens seit den 1960er Jahren ist diese Zeit in Deutschland vorbei. Der "Sitz im Leben" für das klassische Erntedankfest ist weggebrochen. Wir leben seitdem in einer Konsum- und Wegwerfgesellschaft, in einer Zeit der Umweltverschmutzung auf der einen und der Entwicklung von alternativen Energien auf der anderen Seite. Durch die Digitalisierung und Globalisierung bekommen wir mehr als je zuvor mit, wie es in der Massentierhaltung aussieht, wie der Regenwald abgeholzt wird, unter welchen Bedingungen Menschen in asiatischen Textilfabriken arbeiten oder wie Menschen auf dem afrikanischen Kontinent verhungern.

Das Feiern der Ernte als dem vorläufigen Schlusspunkt des bäuerlichen Jahreskreises wirkt da doch selbst für kirchliche Verhältnisse mehr als antiquiert. Also Schluss damit! Viele Diözesen sehen das ähnlich. Sie stellen Arbeitsmaterialien mit liturgischen Bausteinen zur Verfügung, um das Erntedankfest zeitgemäß zu feiern. Im Erzbistum Freiburg schlägt man zum Beispiel vor, die Globalisierung in den Blick zu nehmen: mit Kaffee aus Nicaragua, Tee aus Sri Lanka oder Kakao aus Kamerun.

Nicht zuletzt ist die Umwelt-Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus ein Aufruf an alle Katholiken, die Bewahrung der Schöpfung in all seinen Facetten ernst zu nehmen - vom klassischen Umweltschutz bis zur sozialen Gerechtigkeit. Das Erntedankfest könnte ein Anfang für einen radikalen Umbruch sein: Wer seine Gläubigen als Priester wirklich zum Nachdenken anregen möchte, der bringt am Sonntag ein Pfund Hackfleisch für 1,49 Euro oder ein T-Shirt von KIK für 2 Euro mit an den Altar; der predigt über den Raubbau an Tier, Mensch und Natur; der lässt Fürbitten für die sprechen, die am anderen Ende der Welt für wenige Cent am Tag arbeiten, damit in Deutschland die Ein-Euro-Läden aus dem Boden schießen können; der "holt die Gläubigen dort ab, wo sie sind" und führt sie dahin, wo es weh tut.

Von Björn Odendahl