Müller: Glaubenskongregation schreitet weiter ein
Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat der Behauptung widersprochen, wonach die vatikanische Glaubenskongregation seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus nicht mehr disziplinarisch gegen dissidente Theologen vorgegangen ist. "Diese Beobachtung ist nicht korrekt", sagte der frühere Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation in einem Interview der US-amerikanischen Zeitschrift "National Catholic Register".
In seiner Zeit als Präfekt der Kongregation habe man mit einigen Theologen einen Dialog geführt, um Probleme in "brüderlicher Weise" zu lösen. "Aber ich glaube es hat kein absoluter Rollenwechsel stattgefunden." Die Glaubenskongregation müsse auch weiterhin den Glauben gegen Häresien, Schismen und anderen Delikten gegen die Einheit der Kirche und die Heiligkeit der Sakramente verteidigen, so der deutsche Kardinal.
Die ebenfalls US-amerikanische Zeitschrift "National Catholic Reporter" hatte vor kurzem behauptet, die Glaubenskongregation habe seit dem Amtsantritt von Franziskus nichts mehr gegen missliebige Theologen unternommen. Sie berief sich hierbei auf vier Theologen, die im Pontifikat von Benedikt XVI. gemaßregelt worden waren, unter Franziskus jedoch nichts mehr von der Glaubenskongregation gehört hätten, obwohl sie mindestens in einem Fall gegen die Auflagen der Behörde verstoßen haben.
Keine Erteilung des "nihil obstat"
Es gebe eine Gruppe "sogenannter progressiver Aktivisten", die Propaganda gegen die Glaubenskongregation betrieben, sagte Müller nun in dem Interview. Sie behaupteten, die Existenz der Glaubenskongregation sei ein Rückfall in die Tage der Inquisition. Dahinter stünden "alte Obseesionen", die auf die 68er-Generation zurückgingen. "Jetzt sagen dieselben Leute, sie hätten erfolgreich mit 'ihrem Papst' interveniert und erreicht, dass die Kongregation ihre Arbeit nicht tue. Aber das ist nicht wahr."
Linktipp: Papst ernennt Untersekretär für Glaubenskongregation
Gut zwei Monate nach dem Ausscheiden von Kardinal Müller ist die Leitungsebene der Glaubenskongregation wieder komplett. Franziskus ernannte einen italienischen Kirchenrechtler mit Seelsorge-Erfahrung. (Artikel vom 15. September 2017)Es habe "einige Fälle problematischer Auffassungen und Theologen" gegeben. In einigen wenigen Fällen habe man etwa das sogenannte "nihil obstat", die kirchliche Unbedenklichkeitserklärung, nicht erteilen können. Namen von Theologen, gegen die seine Kongregation vorgegangen ist, wollte Müller unter Berufung auf das päpstliche Geheimnis nicht nennen.
Müller war von 2012 bis 2017 Präfekt der Glaubenskongregation. Im Juli verlängerte Franziskus Müllers erste fünfjährige Amtszeit überraschend nicht. Einen Grund nannte der Vatikan nicht. Beobachter sehen den Grund in den distanzierenden öffentlichen Äußerungen des Kardinals zum päpstlichen Schreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie und seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft innerhalb der Kurie. Zu Müllers Nachfolger ernannte der Papst den bisherigen Sekretär der Kongregation, Erzbischof Luis Ladaria-Ferrer.
Offensichtlich war, dass der Einfluss der Glaubenskongregation unter Franziskus abnahm. Die Zahl der veröffentlichten Dokumente ging deutlich zurück.
Über seinen Nachfolger Ladaria sagte Müller, sie beide hätten "absolut dasselbe Verständnis von katholischem Glauben und Theologie". Bei denen von Franziskus neu berufenen Sekretär Giacomo Morandi und Untersekretär Matteo Visioli ließ Müller jedoch Skepsis erkennen. Wörtlich fuhr er fort: "Aber ich hoffe, dass der Sekretär und Untersekretär auch dieses Verständnis haben, dem rechten Glauben zu dienen und dem Heiligen Vater". Kompetenz sei wichtiger als Freundschaft. Der neue Sekretär Morandi, der zuvor Untersekretär war, gilt als treuer Gefolgsmann von Franziskus.
Kardinal: Papst sollte auf konservative Kritiker zugehen
Im selben Interview sprach sich Müller für eine Antwort des Papstes an seine konservativen Kritiker aus. Er verdiene als Nachfolger des heiligen Petrus vollen Respekt, aber "ehrbare Kritiker" verdienten auch eine überzeugende Antwort. Hintergrund sind zwei Dokumente an Franziskus, in denen die konservative Kirchenvertreter wesentliche Positionen von "Amoris laetitia" als Abweichung von der kirchlichen Lehre in Frage stellen. Vergangenen Sonntag wurde eine förmliche "Zurechtweisung" veröffentlicht, die 62 konservative Kleriker und Theologen unterzeichnet hatten. Im November 2016 hatten vier Kardinäle ihre "Dubia" (Zweifel) publiziert.
Als Lösungsmöglichkeit könnte der Papst nach Müllers Worten etwa eine Gruppe von Kardinälen ernennen, die mit den Kritikern in ein theologisches Gespräch einsteigen. Müller, dessen Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation Franziskus nicht verlängert hatte, warnte vor einer Spaltung der Kirche bis hin zum Schisma. Die Kirche brauche "mehr Dialog und gegenseitiges Vertrauen" statt "Polarisierung und Polemiken". (tja/luk/KNA)
30.09.2017, 14:15 Uhr: Artikel um die letzten beiden Absätze zu den Kritikern ergänzt.